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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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dann, wenn die Missionare bereits erfolgreich die Kunst des Schreibens gelehrt hatten. Doch ein Vertrag mit den Maori war auch durch schlichtes Nicken gültig.
    Sie deutete auf das Feuer. »Wollt ihr mit mir etwas essen, um unsere Vereinbarung zu besiegeln? Ich koche etwas, damit ihr euch stärkt, bevor ihr zu euren Familien zurückkehrt.«
    Beide nickten wieder, um ihr Einverständnis zu zeigen. Anne nahm also den Rest der Kumara des Vortages, Kräuter und Muscheln und fing an, unter den wachsamen Augen der Maori etwas zu kochen. Sie schwiegen. Alles Entscheidende war ja bereits verhandelt. Erst als Charlotte mit einem eindringlichen Geheul aufwachte und damit verkündete, dass sie umgehend Hunger hatte, entspannten sich die Gesichter der beiden Männer. Sie kicherten, kitzelten das kleine Mädchen am Bauch und unterhielten sich über ihre dunklen Haare, während sie gierig an Annes Brust saugte.
    Als David Wilcox zu diesem friedlichen Bild am Lager zurückkehrte, rang er einen Augenblick lang um Fassung. Zu merkwürdig war der Anblick seiner stillenden Frau, die gleichzeitig mit zwei Wilden redete, als wäre es das Normalste der Welt, wenn man vor Publikum seinem Kind die Brust gab. Doch er beherrschte sich, nickte ernst und ließ sich den beiden Maori vorstellen.
    Auch als Anne ihm erklärte, dass sie eines seiner Gewehre gegen die Bucht und die umliegenden Hügelketten getauscht hatte, schaffte er es, ein gleichmütiges Gesicht zu behalten und zu nicken. Nicht einmal Anne war sich sicher, ob er diesem Handel zustimmte oder nicht. Sie speisten gemeinsam und tauschten Freundlichkeiten aus. Wenn Anne es richtig verstanden hatte, dann lag der Pa dieses Stammes einen etwa achtstündigen Fußmarsch von ihnen entfernt.
    David erklärte sein Vorhaben, den Sattel des Hügels von Buschwerk und Bäumen zu befreien – und überraschenderweise boten sie ihm Hilfe an. Für ein paar Kugeln des neuen Gewehrs wollten sie helfen, die größten und schwersten Bäume zu fällen. Noch bevor Anne lange widersprechen konnte, zogen alle drei Männer hoch zu dem Sattel, um gemeinsam den Kampf gegen die Natur aufzunehmen. Anne blieb zurück, lehnte sich an einen Baum und atmete erst einmal tief durch. Geschafft!
    Sie hatten völlig friedlich ein großes Stück Land erstanden, mussten allerdings darauf vertrauen, dass dieses Eigentum ihnen auch von niemandem streitig gemacht werden konnte. Immerhin: Sie wollte nicht in die Situation kommen, in der sie irgendeinem verbohrten englischen Landvermesser sagen musste, wie die Grenzen dieses Grundstückes denn nun genau verliefen. Aber auch dieser Tag würde kommen. Nicht heute, nicht morgen – aber irgendwann in der Zukunft – und vielleicht musste sich auch erst Charlotte mit diesem Problem beschäftigen …
    Anne lehnte ihren Kopf wieder an den warmen Baum hinter sich. Die Sache mit den Ansprüchen und den Fragen der Landvermesser lag noch in ferner Zukunft – und sie weigerte sich in diesem Moment, so weit zu denken. Jetzt war alles gut und alles friedlich, jetzt wollte sie einfach nur genau dieses Gefühl von Harmonie genießen.

MARLBOROUGH, 1833

    30.
    Hammerschläge hallten durch den Busch. Hin und wieder ertönte der empörte Schrei eines Vogels, der sich beim Nisten gestört fühlte. Anne drückte Charlotte fest an sich, während sie den Weg zu dem kleinen Sattel emporlief. Seit Wochen arbeitete David an dem einfachen kleinen Haus, während sie sich tagsüber um die kleine Charlotte und das Essen kümmerte.
    Am Rand der kleinen Lichtung, auf der schon bald das Haus stehen sollte, blieb sie für einen Moment stehen. David hatte sein Hemd ausgezogen und arbeitete mit nacktem Oberkörper. Er glänzte vor Schweiß, die Sommersonne brannte vom Himmel – aber es war nicht mehr lange bis Ostern. Das Wetter würde schon bald umschlagen. David schälte im Augenblick einen kräftigen Baumstamm, dessen Holz ihnen als einer der Eckpfeiler dienen sollte. Anne sah ihm zu, ohne dass er ihre Anwesenheit bemerkte. Auf seinem Rücken zeichnete sich ein großer Wal mit einem kleinen Kalb an seiner Seite ab, der von einem geschickten Tätowierkünstler im Augenblick des Abtauchens gezeichnet worden war. Sie kannte diese Tätowierung, noch in Kororareka war sie oft mit den Fingern darübergefahren und hatte ihn nach der Geschichte hinter diesem Bild gefragt. Er hatte immer nur gelächelt, den Kopf geschüttelt und nie etwas erzählt. Im grellen Sonnenlicht fiel ihr diese Tätowierung wieder auf. Erst

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