Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
suchen keine Händel und wollen mit niemandem Streit.«
»Darum geht es nicht.« Der Mann schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Für die meisten Frauen ist das Leben hier einfach zu hart. Und es gibt keine anderen Frauen, mit denen Ihr reden könnt. Es ist einsam hier. Vor allem im Winter. Kennt Ihr unsere Winter?«
»Noch nicht«, erklärte Anne, während sie einen schweren Kessel zu den anderen Dingen auf die Theke wuchtete. »Aber da werde ich wohl kaum drumherum kommen, oder? Und keine Sorge: Vor Einsamkeit habe ich keine Furcht.«
Er sah ihr weiter neugierig zu. Kernseife. Ein Sack Linsen. Salz. Petroleum. Feuersteine. Eine Pfanne. Die junge Frau mit den vielen Locken und dem etwas strengen Zug um den Mund schien sich tatsächlich häuslich niederlassen zu wollen.
»Wo wollt Ihr denn bleiben?«, fragte er nach. »Hier in Picton?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein – wie ich gerade eben schon gesagt habe: weiter draußen am Fjord, in einer Bucht. Gibt es hier viel Ärger mit Maori?«
Der Ladenbesitzer zuckte mit den Achseln. »Nein. Sie sind freundlich – aber Ihr werdet ihnen das Land, auf dem Ihr siedeln wollt, schon abkaufen müssen. Aber dann sollte es keine Probleme geben. Die werden nur unfreundlich, wenn man ihnen was rauben will.«
»Das unterscheidet sie wohl nicht von den meisten zivilisierten Menschen«, bemerkte Anne, wählte einen Sack mit Mehl und stellte ihn zu den vielen anderen Dingen, die sie schon auf die Theke gehäuft hatte. Prüfend sah sie alles an und ging im Kopf noch einmal durch, was sie wohl für die erste Zeit in dieser einsamen Bucht alles benötigen würden. Die Fahrt nach Picton dauerte lange – und sie würden vor dem Winter höchstens noch einmal hierherkommen. Entschlossen nahm sie noch zwei scharfe Messer – und blieb dann nachdenklich vor ein paar Stoffen stehen. Ihre Finger glitten über einen leuchtend roten Stoff, in den feine weiße Streifen eingewebt waren. Der Händler sah ihr wohlgefällig zu. Jetzt verhielt sich diese Frau endlich einmal so, wie man es von einer Vertreterin ihres Geschlechtes erwartete. »Der kommt aus Schottland, eine besonders warme und weiche Qualität – mit dem werdet Ihr auch in den Winterstürmen in unserer Gegend nicht frieren.«
»Ich dachte nicht unbedingt an mich …«, murmelte Anne.
Erst jetzt bemerkte der Ladenbesitzer, dass sie unter ihrem weiten Mantel ein winziges Baby eng an ihren Körper gebunden trug – so wie es die Frauen der Eingeborenen taten. Das Kind schien zu spüren, dass es gemeint war, denn es meldete sich mit einem leichten Gurgeln zu Wort. Anne streichelte ihm über den Kopf und lächelte dem Ladenbesitzer zu. »Schneidet mir doch ein paar Ellen ab und legt es zu den Einkäufen, seid Ihr so freundlich?«
Eilfertig machte der Mann sich ans Werk, als die Tür aufging und ein fremder Mann den Laden betrat. Er lächelte der lockigen Frau zu und stellte sich dann dem Ladenbesitzer vor. »David Wilcox mein Name! Meine Frau Anne, unsere Tochter Charlotte und ich gedenken hier in der Gegend zu siedeln. Da werden wir uns in Zukunft sicherlich häufiger sehen.«
Die Männer begrüßten sich mit einem festen Händedruck. Anne lächelte David zu und machte eine Handbewegung, die all ihre Einkäufe auf der Theke einschließen sollte. »Ich habe versucht, alles, was wir benötigen könnten, zu finden. Der einzige Luxus ist der Stoff für Charlotte – wir können sie wohl nicht ewig in einen alten Rock von mir hüllen, oder was denkst du?«
Wilcox lachte gutmütig und zückte seine Geldkatze, die er am Gürtel trug. »Nein, das geht nicht. Aber ich finde, du solltest dir auch ein neues Kleid nähen. Immerhin kannst du jetzt nicht mehr wie unter den Wilden herumlaufen.« Er deutete auf einen weiteren Stoff, der schlicht und dunkelbraun war. »Packt davon noch etwas ein, dazu Leinen für eine neue Bluse und ein Hemd für meine Tochter.«
Anne sah ohne Widerspruch zu, wie der Kolonialwarenhändler ihr den tristen braunen Stoff abschnitt. Nach dem bunten Rock von Kororareka war es kein Wunder, dass David ihr jetzt eher die gedeckten und dunklen Farben zudachte. So konnte wenigstens jeder sehen, dass sie eine ehrbare Frau war.
Ein kleiner Junge, der offenbar als Gehilfe des Ladenbesitzers arbeitete, half ihnen dabei, die Einkäufe hinunter zur Isabella zu tragen. Am Wasser angekommen, sah er den Schoner mit großen Augen an. »Und das ist ganz allein Euer Schiff, Sir? Könnt Ihr das denn alleine
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