Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
Immerhin hatte er mehr Ahnung von Pferden, als die meisten Menschen in einem ganzen Leben anhäufen konnten. Der alte Oberst Richmond hatte doch erwähnt, dass er einen Verwalter für das alte Gestüt an der schottischen Grenze suchte. Vielleicht war das ja die Lösung, nach der er suchte. Zumindest für den Anfang.
»Einverstanden? Unterschreibt hier!« Die schneidende Stimme des Notars riss ihn aus seinen Gedanken. Courtenay zuckte zusammen. Er wollte nicht um Gnade betteln, aber vielleicht sollte er einen letzten Versuch wagen, um seinen Besitz doch noch zu retten.
Er wandte sich Mallory zu. »Können wir nicht eine Einigung treffen? Ich könnte doch auch künftig als Verwalter meines bisherigen Eigentums arbeiten. So würde zwar der Eigentümer des Gestüts wechseln, aber ansonsten wäre die Kontinuität gewahrt. Das ist doch auch wichtig …«
»Bitte, Courtenay, mach dich nicht lächerlich«, erklärte Mallory. »Ich werde doch kaum einen Verwalter anstellen, der so dumm war, sich einen Hengst andrehen zu lassen, der vom Zuchtverband nicht anerkannt wird. Nachher geht es mir wie dir, und ich muss als Bettler zu meinen ehemaligen Konkurrenten gehen. Nein, lass uns in Würde und Anstand voneinander scheiden. Und wenn ich in einer Woche komme, verlasse ich mich darauf, dass du einfach verschwunden bist.«
Mallory erhob sich und schob seinen alten Freund William Courtenay mit sanfter Gewalt am Ellenbogen Richtung Tür. »In ein paar Jahren kannst du uns gerne wieder besuchen kommen. Mit ein bisschen Glück fällst du auf die Füße, mein alter Freund. Dann trinken wir einen guten Wein zusammen und lachen über den heutigen Tag.«
Courtenay befreite seinen Arm mit einem Ruck aus dem festen Griff von Mallory. »Nimm deine gierigen Finger von mir. Und eines ist sicher: Sollte ich jemals wieder auch nur zu einem kleinen Stück Reichtum oder Anerkennung kommen, dann würde ich dich ganz sicher nicht besuchen. In Zeiten der Not hast du mir dein wahres Gesicht gezeigt, und jetzt habe ich kein Bedürfnis mehr, es jemals wiederzusehen. Leb wohl, George. Ich wünsche dir kein Glück mit meinem Gestüt. Unwetter, Beinbruch und die Pest wünsche ich dir, jawohl.«
Seine Rede schien Mallory nicht sonderlich zu beeindrucken. Er nickte nur, als hätte Courtenay gerade eben etwas besonders Höfliches gesagt, und schob ihn ohne weitere Umschweife durch die Tür. Als das schwere Holz hinter ihm ins Schloss fiel, blieb Courtenay einen Moment lang in der warmen Sommerbrise stehen. Der Tag war einfach perfekt. Die Sonne schien, die Stuten mit den Fohlen spielten auf der Koppel, und der Stallknecht brachte ihm den tänzelnden Sunrise, der schlicht und ergreifend wie das Urbild eines perfekten Rennpferdes aussah. Sein Eigentum ging nicht in das von Mallory über – per Vertrag standen ihm nur die englischen Vollblüter zu. Und dazu war Sunrise nicht zu zählen. Leider. Courtenay seufzte. Sein Leben war vorbei. Und das Schlimmste daran: Seine Frau und seine Tochter ahnten noch nichts. Ihnen musste er an diesem Nachmittag die Wahrheit beichten.
Schwerfällig zog er sich in den Sattel und nahm die Zügel auf. Mit einem kleinen Schnalzen forderte er den Hengst zum gemütlichen Trab auf – es gab keinen Grund mehr, sich zu beeilen.
Stunden später sahen ihn seine Tochter und seine Frau sprachlos an. Er hatte sie in dem gemütlichen Kaminzimmer zu sich gebeten. Anne fand als Erste ihre Stimme wieder. »Habe ich das richtig verstanden? Du hast alles verpfändet, was wir besitzen – und mehr als das: Du hast auch noch mein persönliches Glück mit aufs Spiel gesetzt? So, als wäre das alles nichts?« Sie hatte Tränen in den Augen, als sie leise fortfuhr. »Was soll denn jetzt aus mir werden?«
»Aus uns allen, mein Kind. Wenn du einen Augenblick nicht nur an dich denkst, dann sollte dir klar werden, dass unser aller Leben nie wieder so sein wird wie zuvor.« Die Stimme von Elizabeth Courtenay klang belegt. Sie kämpfte um Fassung. »Wie lange haben wir noch, was hast du gesagt?«
»Eine Woche. Dann erwartet Mallory, dass wir ausgezogen sind.« Courtenay schüttelte den Kopf. »Ich bin auf dem Heimweg bei Oberst Richmond vorbeigeritten. Er bietet uns die Verwaltung seines Gestüts oben an der Grenze zu Schottland an. Ein kleines Haus, keine Bediensteten, nur zwei Stallknechte und wir. Das klingt nicht gerade großartig, aber ich fürchte, das ist das Einzige, was wir jetzt erreichen können. Dort können wir dann warten, bis
Weitere Kostenlose Bücher