Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
Sommertag, an dem ihr Leben endgültig zusammenbrach.
Dorset, 1829. George Mallory nickte ihm zum Empfang zu. Er bot William Courtenay keinen Stuhl an. Sein ehemaliger Freund stand vor ihm wie ein Bittsteller, einer der kleinen Pächter, die Mallory auf den Feldern beschäftigte, die als Pferdeweiden nicht taugten.
Er hielt sich auch nicht lange mit Vorreden auf. »Und? Hast du die 1500 Sovereigns für mich? Wie ich höre, sind deine Geschäfte wieder besser gelaufen!«
»Besser, ja«, erklärte Courtenay mit fester Stimme, während er sich unaufgefordert einen Stuhl nahm und sich setzte. »Deswegen wollte ich dich auch um Aufschub für die Zahlung meiner Schulden bitten. So wie es aussieht, laufen meine Pferde in dieser Saison problemloser als in all den Jahren zuvor. Ich habe auch schon zwei Jährlinge mit schönen Gewinnen verkaufen können. Es geht wieder aufwärts! Alles, was ich benötige, sind noch ein paar Monate mehr. Wir haben den Zeitrahmen vielleicht etwas zu eng gesetzt.« Er lächelte Mallory an.
Dessen Gesicht blieb unbewegt. »Nun, da hättest du dich vor sechs Monaten beschweren sollen. Jetzt sind die Bedingungen festgelegt. Die besagen, dass heute der Stichtag ist, an dem du mir die Summe zurückzahlen musst – sonst fällt dein Eigentum an mich. Soll ich also nach dem Notar schicken, damit er festhalten kann, dass ich künftig der Eigentümer des Gestütes Courtenay bin – oder kannst du mir die Summe zahlen?«
»Ich habe 1100 Sovereigns, die kann ich sofort zahlen …«, begann Courtenay. Doch Mallory hob eine Hand. »Das reicht nicht, und das weißt du!«, erklärte er. Seine Stimme klang eisig. »Also der Notar, wenn ich das richtig sehe?«
William Courtenay wusste, wann er geschlagen war. »Ich hielt dich für einen Freund … Und 1100 Sovereigns sind doch ein großer Teil meiner Schuld. Das ist doch wie eine gute Garantie …«
Mallory lächelte schmallippig. »Dein Freund – das war ich doch auch. Sonst hätte ich dir nie Geld geliehen. Ich bin es noch: Ich gewähre dir und deiner Familie eine ganze Woche, um euer Hab und Gut zusammenzupacken und das Gestüt zu verlassen. Dazu bin ich nicht verpflichtet, aber ich denke, das gebieten der Anstand und die Erinnerung an unsere gemeinsame Vergangenheit.«
»Der Anstand hätte dir geboten, mir noch einmal sechs Monate Aufschub zu gewähren. Oder die letzten 400 Guineas als eine Art Investition in die Zukunft deines Sohnes zu sehen, wenn er meine Tochter heiratet.« Courtenay musste sich beherrschen, um nicht loszuschreien.
Er fühlte sich so machtlos und so schwach, dass er am Anfang kaum hörte, was Mallory mit leiser Stimme sagte: »Nun, diese Verlobung müssen wir natürlich endgültig lösen. Gregory kann doch nicht ein völlig mittelloses Mädchen heiraten, egal, wie gut ihre Ausbildung auch ist. Noch nächste Woche werden wir die Verbindung mit Catherine Marcheston offiziell machen, der Ball findet am Freitag statt. Zum Glück habe ich jeden Kontakt von Gregory mit deinem Mädchen in den letzten Monaten unterbunden – er war auf mein Geheiß in London, um seine Ausbildung zu vervollkommnen. Ich wollte doch erst sehen, wie diese Sache ausgeht. So, wie es aussieht, habe ich gut daran getan. Gregory ist ein guter Sohn, er wird meinem Wunsch nach einer Verbindung mit den Marchestons sicher nachkommen.«
Courtenay rang jetzt sichtbar um Fassung. »Aber … Anne wird untröstlich sein …«, stammelte er. Und wusste, dass dieser Satz eine gewaltige Untertreibung war. Untröstlich? Die Auflösung dieser Verlobung würde seiner Tochter den gesamten Lebensmut rauben. Dazu noch der Verlust des Elternhauses – er konnte nur hoffen, dass sie unter diesem Schlag nicht zusammenbrach. Schon die letzten Monate, in denen jeder gesellschaftliche Kontakt mit den Mallorys fehlte, hatten ihr hart zugesetzt.
Er hörte, wie sich hinter ihm die Tür öffnete. Ein schmaler, dunkel gewandeter Mann mit einer kleinen Nickelbrille stellte sich an den Tisch und sah Courtenay mit nur schlecht verborgener Neugier an. »Ihr seid also der Herr, der heute sein Eigentum an Master Mallory überschreiben will?«, fragte er mit gezückter Feder.
Courtenay nickte. Was blieb ihm anderes übrig?
Während der Notar von Paragrafen, Erbrecht und Unumkehrbarkeit eines Prozesses redete, versuchte William Courtenay sich auszumalen, wo er künftig gemeinsam mit Tochter und Gemahlin leben könnte. Es musste doch Arbeit und Unterkunft für einen wie ihn geben.
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