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Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Fernrohr entgegen. »Endlich! Unsere Ablösung ist da! Ich frage mich nur, welche Order sie für unsere weitere Reise an Bord haben«, murmelte er dabei leise vor sich hin.
    Die Frage blieb nicht lange unbeantwortet. Noch am selben Nachmittag trafen sich die beiden Kapitäne auf festem Grund, wenig später rief der Herr der HMS Mercury seine Offiziere – und damit auch den Offiziersanwärter – zu sich. Mit unbewegter Miene hob er einen Brief auf, dessen Siegel gebrochen war. »Mein Kollege von der HMS Arrowhead hat mir dieses Schreiben übergeben. Wir sollen die Fracht des Schiffes übernehmen: zwei Dutzend Straffällige, die wir in die Kolonien nach Australien bringen sollen. Auf dem Weg dahin werden wir in Indien, in Bombay, landen und einige Schriftstücke an den Gouverneur überbringen. Es sieht also nicht so aus, als ob wir in absehbarer Zeit auch nur in die Nähe unserer Heimat kommen. Es tut mir leid.« Er wollte wohl noch etwas sagen, zuckte nach einem Blick in die Runde aber nur noch einmal mit den Schultern. »So ist es eben, wenn man sich bei uns verpflichtet. Ich muss Euch alle bitten, in den kommenden Wochen ein wachsames Auge auf die Sträflinge zu haben. Es sind allesamt verurteilte Verbrecher!«
    Gregory spürte, wie sich unbändiges Glück in ihm ausbreitete. Australien. Nicht mehr lange, und er würde endgültig in die Nähe seiner Anne kommen. Erst dann musste er einen Plan finden, der es ihm erlaubte, sich von der Truppe zu entfernen, ohne dass er gleich als Deserteur angesehen wurde. Aber ihm würde schon etwas einfallen, auch wenn er im Moment noch keine Ahnung hatte, was.
    Schon am nächsten Tag kamen die Gefangenen an Bord. Zweiundzwanzig verdreckte, stinkende Männer, die mit gesenktem Blick an ihm vorbei in das Unterdeck der Mercury kletterten. Männer, die ihre gerechte Strafe irgendwo in der Wildnis Australiens abdienen mussten. Gregory hatte wenig Mitleid mit diesen Männern. Zu seiner gewaltigen Überraschung kamen allerdings am Schluss auch noch zwei Frauen an ihm vorbei. Ihre Blusen waren fadenscheinig, verschwitzt und verdreckt, die Röcke entblößten mehr von ihren Beinen, als sie verdeckten. Verächtlich schnaubte Gregory durch die Nase. Wahrscheinlich hatte man diese liederlichen Weiber in den Straßen von London als leichte Mädchen aufgegriffen. Wenn er es richtig sah, dann wartete in Australien genau das gleiche Schicksal auf sie. Mit diesen Menschen wollte die Krone also das riesige Land bevölkern. Auf wirklich treue Untertanen konnte man so allerdings kaum hoffen.
    Kopfschüttelnd sah er zu, wie die Gefangenen sich auf dem viel zu engen Raum einrichteten. »Mit dieser Art Menschen hatte ich noch nie zu tun«, sagte er leise zu einem der Offiziere, der gerade neben ihm stand.
    Der lächelte ihn belustigt an. »Diese Art Mensch? Was für eine Art soll das sein – die Art, die für nichts taugt? Ihr dürft nicht alles glauben, was der Kapitän sagt. Oder was Euch Euer Auge vorgaukelt.«
    Dann machten sich beide wieder an ihr Tagewerk, bereiteten die baldige Abreise der Mercury aus Afrika vor. Womöglich sogar eine gute Sache, denn der Krieg der Buren mit den Negern wurde immer wahrscheinlicher – und Gregory wollte nun wirklich nicht in irgendeinen ernsthafteren Kampf als den um die besten Schlafplätze verwickelt werden.
    Zwei Tage später liefen sie aus Kapstadt aus. Die Mercury nahm schnell an Fahrt auf, als sie den engen Hafen verlassen hatte, und nahm mit geblähten Segeln Kurs nach Süden. Das Kap der Guten Hoffnung markierte den Übergang vom Atlantik zum Indischen Ozean, und tatsächlich trafen an dieser steinigen Landzunge zwei Strömungen aufeinander, die die gesamte Aufmerksamkeit der Besatzung forderten. Danach segelten sie immer dicht an der afrikanischen Küste entlang, konnten zum Teil die Siedlungen der Schwarzen sogar sehen. In einer besonders klaren Nacht hörte Gregory den Klang der Trommeln, der über das Wasser schallte. Er spürte, wie sich ihm die Härchen auf dem Unterarm aufstellten. Ein gefährliches Geräusch, das gleichzeitig allen Zauber dieses Kontinents ausdrückte. Er nahm sich fest vor, irgendwann einmal eine längere Zeit hier zu verbringen. Wie lebte es sich bei diesen Wilden, die noch ihrem kindischen Aberglauben an die Mächte der Natur anhingen?
    Danach schwenkte die Mercury auf einen Kurs in Richtung Osten. Das Meer wechselte seine Farbe zu einem dunklen Türkis, und die Inseln, die sie hin und wieder passierten, wirkten so wie aus

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