Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
Ungeschick. Allerdings bei Weitem nicht genug, um sie doch noch zu heiraten.
Cedric wurde von einem Lachanfall geschüttelt. »Das ist alles, was er dir bieten will? Das ist nach deiner Anne wahrlich ein Abstieg! Was wurde eigentlich aus ihr? Ich dachte immer, dass du sie eines Tages vor den Altar führst!«
»Lange Geschichte. Im Kern hat mein Vater dafür gesorgt, dass ihre Familie bankrott geht, und hat mir dann verboten, Anne zu heiraten, weil sie kein Geld hat. Üble Geschichte. Wie gesagt: Ich will mir das nicht mehr bieten lassen, ich muss zur Marine. Hilfst du mir?«
»Klar, ich bin dabei. Ein Vetter von mir kann dir helfen, der rekrutiert immer wieder Nachwuchs für seine Offiziere. Musst dich halt für ein paar Jahre verpflichten – aber dann steht dir die große weite Welt offen. Darfst du überhaupt schon selber unterzeichnen?« Auf Cedric war einfach Verlass. Als Sechsjähriger hatte er bereits die Kutschpferde seines Vaters »aus Spaß« in einen Fluss getrieben, zehnjährig dafür gesorgt, dass eine der Mägde sich plötzlich nackt im Waschzuber mit zehn Knechten wiederfand … nicht ganz Gregorys Humor, aber heute war Cedric genau der Mann, den er brauchte. Rücksichtslos und von nicht allzu vielen Zweifeln geplagt. »Ich schreibe meinem Vetter ein Empfehlungsschreiben, dann sollte deiner Militärlaufbahn nichts im Wege stehen. Hast du denn keine Angst, dass du womöglich in Kampfeshandlungen verstrickt wirst?« Er sah ihn neugierig an. »Nicht, dass du mit einem Bein oder gar deinem Leben für dieses Abenteuer zahlen musst!«
»Ich doch nicht!«, winkte Gregory ab. »Du weißt doch: Die Offiziere stehen immer nur in zweiter Reihe. Es sind die Bauernjungen, die vorne stehen und als Kanonenfutter dienen.« Nicht nett, aber immerhin die Wahrheit. Er schlug Cedric auf den Rücken. »Ich passe schon auf mich auf, da mach dir mal keine Sorgen.« Außerdem wollte er die Offiziersjacke ausziehen, sobald er in Neuseeland war. Oder zumindest in Australien, da es reichlich unwahrscheinlich war, dass die Krone schon im nächsten Jahr in Neuseeland die Herrschaft übernahm. Aber in seiner Vorstellung war es von Australien nach Neuseeland nur ein Katzensprung.
Cedric schlug ihm auf den Arm. »Ausgerechnet von dir hätte ich das wirklich nicht erwartet. Sag meinem Vetter einen Gruß.« Er erhob sich und strich sich die Rockschöße glatt. »Und jetzt musst du mich entschuldigen, ich habe meine Verpflichtungen bei der jungen Lady Pendergast, ich hoffe, du verstehst …« Er zwinkerte Gregory zu und verschwand dann in Richtung eines sehr blonden, sehr jungen Mädchens, das etwas verloren auf einem Stuhl saß und Cedric erwartungsvoll entgegenblickte.
Gregory seufzte. Cedrics Ruf in der Damenwelt war einfach überwältigend – dabei war er einfach nur rücksichtslos und auf seinen eigenen Spaß bedacht. Aber genau deswegen konnte er sich auf ihn verlassen. Cedric würde ganz sicher morgen früh nicht von Zweifeln gequält werden und Gregorys Mutter vorwarnen.
Wenige Tage später fand Gregory sich in dem engen Raum wieder, in dem Cedrics Vetter die jungen Offiziersanwärter in Augenschein nahm. Stirnrunzelnd sah er auf das Schreiben, das Gregory ihm in die Hand gedrückt hatte. »Ich verstehe das richtig: Ihr wünscht nicht, in die Kavallerie einzutreten, obwohl Ihr Euer ganzes Leben mit Pferden verbracht habt – aber es soll unbedingt die Navy sein. Und das, obwohl Ihr noch nie einen Fuß auf ein Schiff gesetzt habt. Darf ich fragen, warum?« Er sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.
Auf diese Frage war Gregory vorbereitet. Er bemühte sich um ein harmlos-begeistertes Gesicht. »Die Pferdezucht gehört meinem Vater, aber ich konnte mich nie wirklich für die Vollblüter erwärmen. Kleine, leichte Pferde, die nichts können außer schnell im Kreis rennen – das ist doch keine Beschäftigung für einen Mann, findet Ihr nicht? Ich habe von klein auf eine Liebe für das Meer in mir gespürt. Jetzt bin ich endlich älter als einundzwanzig und kann mein Leben in die eigene Hand nehmen. Das will ich tun – und zwar auf See. So wie ich es mir immer erträumt habe.«
Verstehend nickte Cedrics Vetter. »Ja, das kommt vor. Entweder man hört den Ruf der See, oder man hasst die Vorstellung, auf einer kleinen hölzernen Nussschale über die Weltmeere zu segeln. In der Tat benötigt Ihre Majestät Offiziere. Nur so können wir die Kolonien beherrschen – und es werden immer mehr!«
»Ja«, nickte Gregory
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