Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)

Titel: Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
Vom Netzwerk:
darauf achten, dass sie noch zuckt. Nur die Lebenden sind ungefährlich. Die anderen können dafür sorgen, dass du mit wahnsinnigen Krämpfen in den Gedärmen stirbst.«
    »Ermutigend«, murmelte Wilcox. Er kniete sich nieder und grub mit den Fingern im Sand. Nichts. Fragend sah er seinen Begleiter an, der in diesem Moment schon die dritte Muschel herunterschluckte. »Wo verstecken sich die Biester?«
    »Näher am Wasser, am besten in der Nähe von steilen Küsten. Hier, am flachen Strand, sind sie einfach nur im ständig umspülten Sand zu finden.« Matt war nicht der Freund großer Worte. Er grub einfach weiter.
    David versuchte ebenfalls sein Glück – und tatsächlich fand er eine der schartigen, harten Schalen. Nach einigen Anläufen gelang es auch ihm, sie zu öffnen. Mit Todesverachtung führte er sie zum Mund und schluckte sie herunter. Und öffnete überrascht seine Augen. Es schmeckte nicht einmal unangenehm. Im Gegenteil. Zu einer anderen Zeit hätte er diesen Geschmack vorzüglich gefunden.
    »Woher kennst du die Dinger?«, fragte er, während er nach einem weiteren Exemplar im Sand fahndete.
    Matt machte eine unbestimmte Bewegung mit der Hand. »Musste mal ein paar Monate an so einem Strand überleben. Ein paar Maori hatten meinem Kapitän damals böse zugesetzt.« Damit war für ihn die Geschichte offensichtlich komplett erzählt. Er wandte Wilcox den Rücken zu und suchte weiter.
    Seite an Seite suchten sie sich ihr Essen im Sand. Es dauerte Stunden, bis sie auch nur halbwegs satt waren und sich wieder auf den Weg nach Nordwesten machten. Und zum ersten Mal beschlich Wilcox der dumpfe Gedanke, dass der Weg nach Kororareka deutlich länger dauern könnte, als er es sich in seinen übelsten Träumen ausgemalt hatte. Allein die Tatsache, dass sie sich unterwegs auch ernähren mussten, würde sie jeden Tag ein paar Stunden aufhalten.
    Seufzend ging er weiter. Die Muscheln waren durchaus genießbar gewesen, trotzdem musste er noch am Abend eine andere Möglichkeit finden, um sich zu sättigen. Die Vögel Neuseelands legten bekanntlich ihre Eier irgendwo am Boden ab. Wenn sie nur ein einziges Takahenest fanden, dann mussten sie am Abend keinen Hunger fürchten.
    Er fing an, nicht nur auf den Boden vor sich zu sehen, sondern auch immer wieder den endlosen Wald neben sich zu mustern. Gab es ein Zeichen von Vögeln? Eine Spur von Leben, dass es auch lohnte, auf die Jagd zu gehen? Sie hatten zwar nur ihre Messer, aber die Vögel Neuseelands waren meist völlig ohne Scheu und ließen sich aus nächster Nähe bestaunen. Jahrhunderte ohne natürliche Feinde außer ein paar vereinzelten Maori hatten ihnen den Fluchtinstinkt geraubt.
    Ohne Erfolg. An diesem Abend gruben sie wieder nach den Muscheln, bis die Sonne unterging und sie im Dunkeln das Abendessen beendeten. Seufzend legte Wilcox sich auf die Seite und lauschte auf das ewige Rauschen des Meeres. »Was denkst du, wie viele Meilen wir heute geschafft haben?«, fragte er schließlich ins Dunkel. Er war sich nicht sicher, ob ihm sein Begleiter noch zuhörte – aber er konnte tatsächlich die Strecke nicht abschätzen.
    Die Antwort kam sofort und war deprimierend. »Drei oder vier, denke ich. Mehr ist einfach nicht drin, wenn wir so lange nach Essen suchen. Ist ein weiter Weg …« Matt schien sich daran nicht zu stören, so entspannt, wie er das sagte. Er hatte ja auch nicht seine Frau in den Händen der Maori zurückgelassen.
    Die erste Dämmerung weckte Wilcox. Er schreckte auf und sah in die Dunkelheit. Hunger. In seinem Magen herrschte erschreckende Leere. Verzweifelt versuchte er sich daran zu erinnern, was die Maori denn zu sich nahmen. Die Frau, die sich um die Krankheiten der Siedler kümmerte, brachte oft Farnwurzeln mit. Bedeutete das, dass man alle Wurzeln von Farnen problemlos essen konnte? Er sah den Baumfarn nachdenklich an, der unweit ihres Schlafplatzes stand und dessen Umrisse sich gegen den heller werdenden Himmel abzeichneten. Er hatte einfach zu wenig Ahnung von diesem Land, gestand er sich schließlich ein.
    Weil er nicht mehr schlafen konnte, stand er auf und ging zu dem Baum. Nachdenklich brach er die Spitze eines Blattes ab und kaute darauf herum. Süßlich, nicht schlecht. Er pflückte eine ganze Handvoll von diesen Trieben und steckte sie in den Mund. Wirklich nicht schlecht.
    Er brach noch ein paar weitere Triebe ab und sah dann, dass sein Begleiter schon wieder am Meer stand. Es war Ebbe. Er stand knietief im Wasser und zog eine

Weitere Kostenlose Bücher