Im Land des Silberfarns: Roman (German Edition)
rote Pflanze heraus. Er winkte Wilcox zu, und der kam neugierig näher, während er seine Farntriebe schwenkte. »Das schmeckt gar nicht schlecht. Was hast du denn da?«
»Eine Alge, die die Maori Rehia nennen. Kann man essen. Schmeckt nicht gut, aber kann man runterwürgen und macht wirklich lange satt.«
Die nächsten Wochen kämpften sie sich unendlich langsam voran und testeten fast alles auf seine Genießbarkeit. So manches bereitete ihnen Magengrimmen, einmal lagen sie sogar zwei Tage lang mit Schmerzen und Krämpfen am Strand, bis sie sich endlich wieder erheben konnten. Das Einzige, was ihnen in dieser Zeit treu blieb, war das Wetter: ein wunderbarer Sommer, in dem ein Tag dem anderen glich und kein einziger Sturm ihnen das Leben schwer machte.
Doch die Tage wurden schon merklich kürzer und der Wind am Abend frischer, als die beiden Männer endlich Coromandel erreichten – die Halbinsel, die sie queren mussten, um dann schließlich die letzte Teilstrecke nach Kororareka anzutreten. Wilcox und Matt redeten auf der Wegstrecke durch den dichten Regenwald noch weniger miteinander. Sie hatten nichts miteinander gemein. Wilcox fürchtete um Anne und bemühte sich, nichts von dem Gold, das er am Leib trug, zu zeigen – dabei wog es mit jedem Tag, der verging, schwerer. Seine Kräfte ließen nach, und er war sich nicht sicher, was sein Begleiter mit ihm anstellen würde, wenn er einfach zusammenbrach. Matt war nur an seiner Seite, um der Gesellschaft der anderen Matrosen – und ihrem Zorn – zu entgehen.
So redeten sie an manchen Tagen, an denen sie sich durch den dichten Wald und den nahezu undurchdringlichen Busch schlugen, nichts miteinander. Wenn einer etwas Essbares fand, dann zeigte er es seinem Begleiter – und die Maori, sollten sie denn in ihrer Nähe sein, zeigten sich nicht.
Als sie schließlich den Dschungel verließen und wieder am Strand in Richtung Kororareka liefen, war es Winter. Hier, auf der Nordinsel, keine sehr ungemütliche Jahreszeit: Es war nur ein wenig windiger und die Nächte kühler. Endlich lag in der wohlbekannten weit geschwungenen Bucht Kororareka vor ihnen.
Sie tauschten nur einen Handschlag, als sie sich beim Anblick der Siedlung trennten. Keine sentimentalen Reden, kein Versprechen von Hilfe in der Zukunft. Die Gemeinschaft, die ihnen monatelang aufgezwungen worden war, hatte ein Ende gefunden – und keiner der Männer trauerte ihr nach.
Wilcox betrat die Stadt wie ein Fremder. Seit Monaten hatte er sich jetzt vorgestellt, wen er hier um Hilfe bitten könnte, bei wem er sein Gold in Gewehre für Oaoiti tauschen könnte. Und wie er sich eine schnelle Rückfahrt zu seiner Anne sichern könnte – immer in der Hoffnung, dass sie noch am Leben war.
Entschlossen ging er die wichtigste Straße entlang – und erst als er die befremdeten Blicke der vielen Seeleute sah, wurde ihm klar, dass er wie ein Wilder aussehen musste. Der Bart lang und grau, die Haare verfilzt, während er mit seinen dreckigen Füßen, an denen ihn jetzt dicke Hornhäute schützten, durch den Schmutz ging. Die Hose aufgekrempelt und nur noch durch den eng geschnallten Gürtel gehalten – und sein Hemd war als solches nicht mehr zu bezeichnen.
Entschlossen drückte Wilcox trotz seines wilden Aufzugs die Tür zu einem abgelegenen Wohnhaus auf. Ein uniformierter Mann im Inneren sah ihm überrascht entgegen, seine Hand wanderte zu seinem Messer, während er ihn abschätzend musterte. Wilcox lächelte. »Ihr müsst Master Busby sein, der Vertreter der britischen Krone. Wir haben uns noch nicht kennengelernt, aber ich habe von Eurem baldigen Eintreffen vor ein paar Monaten gehört. Ich muss Euch eine Geschichte erzählen, die wahrlich nach einem Einschreiten der Krone schreit. Bitte schenkt mir Euer Gehör, sie ist unglaublich.«
Und der Vertreter der britischen Krone in Neuseeland brühte einen Tee auf, drückte seinem unerwarteten Besucher einen Becher davon in die Hand und ließ sich schließlich auf seinen Stuhl fallen. »Lasst hören, und nennt mir Euren Namen …«
EAST CAPE, 1832
22.
Anne sah auf den hellbraunen Brei, den ihr eine der Frauen mit einer wortreichen Erklärung in die Hand gedrückt hatte. Sie hatte keine Ahnung, um was es da gegangen war – es war erst zwei Nächte her, dass David sich auf den Weg nach Kororareka gemacht hatte. Die anderen Frauen hatten ihr mit vielen Gesten und eindrucksvollen Grimassen klargemacht, dass sie sich gefälligst an den Pflichten der Frauen
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