Im Land des weiten Himmels
Schokoladenkekse.« Er lächelte wieder.
»Na, dann wollen wir das arme Mädchen nicht enttäuschen. Am besten nehme ich ein ganzes Glas mit. Du willst doch sicher auch ein paar haben?«
»Sicher, Miss. Sehr gerne sogar.«
»Das habe ich mir gedacht.« Sie ging ins Haus, holte ein randvolles Glas, zum Glück hatte sie gerade gestern ein Blech Kekse gebacken, und verstaute es mit einigen Lebensmitteln in einem Leinenbeutel. Auf der Veranda schnallte sie ihre Schneeschuhe an. »Gehen wir!«
33
Der Marsch war anstrengender, als sie gedacht hatte. Adam kam wesentlich besser mit den Schneeschuhen zurecht als sie und schlug eine so schnelle Gangart an, dass sie kaum Schritt halten konnte. Die Blöße, ihn zu bitten, etwas langsamer zu gehen, wollte sie sich nicht geben. Sie hatte den Ehrgeiz, so schnell wie möglich zu einer »Einheimischen« zu werden, zu einer der starken Frauen, wie sie schon sprichwörtlich für Alaska waren, und die auch in Schnee und Eis und während der langen dunklen Winter zurechtkamen. Hier musste man Dinge beherrschen, die eine New Yorkerin schockiert hätten. Sie dachte an die Mäuse in ihrem Haus, denen sie regelmäßig mit Fallen zu Leibe rückte.
Im Wald kamen sie leichter voran. Die Zweige bildeten ein dichtes Dach und hielten den Schnee ab. Sie folgten einem schmalen, mit zahlreichen Wildspuren bedeckten Pfad. Es war ungewöhnlich still unter den Fichten, noch stiller als auf den Hügeln und am Fluss, und als sich weit über ihnen ein Raubvogel von einem Ast erhob, hallte sein Flügelschlag bis zu ihnen herab. Sie gingen hintereinander und unterhielten sich kaum, doch wenn Adam sich nach ihr umdrehte, erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht, und in ihr keimte wieder der Verdacht, er könnte mehr als Sympathie für sie empfinden. Nichts Ungewöhnliches für einen jungen Mann, der einer etwas älteren und selbstbewussten Frau begegnete, aber problematisch, wenn sie daran dachte, wie er reagieren würde, wenn sie ihm gestand, dass sein Werben vergeblich war.
Der Pfad führte hinter den Trümmern der Goldgräbersiedlung vorbei durch den Wald und wand sich in Serpentinen in die geschützte Senke hinab, in der das Winterdorf der Indianer lag. Die Hänge waren mit dicht stehenden Fichten bewachsen – prächtige Bäume, die Pearlman bestimmt nicht übersehen hatte. Sie blieb nachdenklich stehen, starrte die ihr am nächsten stehenden Bäume an, als würden dort die bösen Geister lauern, von denen Chief Alex gesprochen hatte. Und vielleicht war es auch so. Wenn Pearlman diese Bäume ausgewählt hatte und Farnworth beschloss, sie abzuholzen, würden die Tanana gezwungen sein, ihre Heimat zu verlassen und an einem anderen Ort ein neues Dorf zu errichten. Es würde ihnen sicher nicht leichtfallen, ihre Jagdgründe zu räumen und in einem anderen Tal ganz von vorn anzufangen.
Adam drehte sich zu ihr um und bemerkte ihren nachdenklichen Blick. Er blieb ebenfalls stehen. »Ich weiß, was Sie denken, Miss, und es ist wahr. Wenn sie die Bäume in diesem Tal fällen, kommt großes Unglück auf unser Volk zu.« Sie bemerkte, dass er bereits von »seinem« Volk sprach, obwohl er erst seit wenigen Monaten hier lebte. »Nicht nur, weil wir uns dann neue Jagdgründe suchen und ein neues Dorf bauen müssten. Dieses Tal …«, er deutete den gewundenen Pfad hinab, »… dieses Tal ist uns heilig. Hier soll der Rabe, der unser Volk erschaffen hat, sein erstes Nest gebaut haben. Die meisten Tanana, vor allem die Alten, würden eher sterben, als es zu verlassen.«
»So weit werde ich es nicht kommen lassen«, sagte Hannah, ohne zu wissen, wie sie es bewerkstelligen sollte. »Wir werden es nicht zulassen, Adam!«
»Ich bete viel«, zeigte auch er sich zuversichtlich.
Ohne den Rauch aus den Schornsteinen und die Kinder, die vergnügt im Schnee spielten, hätte sie das Dorf beinahe übersehen. Die Häuser, aus festem Holz erbaut, ragten nur mit dem giebelförmigen Dach aus dem tiefen Schnee. Einige Vorratshäuser waren auf Stelzen erbaut und nur über schmale Leitern zu betreten. Vor einem der Häuser stand ein Hundeschlitten, die Huskys waren am Waldrand angebunden und jaulten aufgeregt, als sie Hannah und Adam witterten.
Aus dem größten der Häuser trat Chief Alex und blickte ihnen misstrauisch entgegen. Er konnte nicht verbergen, wie wenig ihm das Kommen der weißen Frau gefiel. »Ich sehe, du hast gelernt, auf Schneeschuhen zu laufen.«
»Wie sollte ich sonst euer Dorf erreichen?«, erwiderte sie
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