Im Land des weiten Himmels
beten für dich.«
»Betet für Dorothy, das ist wichtiger!«
Sie stieg auf die Kufen und trieb die Hunde an. Ohne sich nach dem Häuptling umzudrehen, fuhr sie mit dem Schlitten aus dem Dorf. Die Hunde waren noch lange nicht müde und gehorchten willig, legten sich mit aller Macht in die Geschirre, als es den steilen Pfad nach oben ging. Hannah war vom Schlitten gesprungen und schob ihn von hinten an, hatte wesentlich mehr Mühe, den steilen Hang zu schaffen als am frühen Morgen, als ihr Adam geholfen hatte. Ihr fiel ein, dass sie sich nicht von ihm verabschiedet hatte.
Den Weg zu ihrem Roadhouse kannte sie bereits und hätte ihn auch in vollkommener Dunkelheit gefunden. Captain kam ihnen aufgeregt entgegen und bellte eifersüchtig.
»Diesmal nehme ich dich mit«, überraschte sie ihn. »Aber nur, wenn du dich mit Kobuk und den anderen Hunden verträgst!« Von Alex wusste sie, dass ein Husky meist eine Weile brauchte, um mit den anderen Hunden eines Teams auszukommen und zu harmonieren, glaubte aber, dass Captain keine Schwierigkeiten machen würde. Und gut in Form war er inzwischen ohnehin.
Sie legte ihm das Geschirr an, das sie im Vorratssack mitgenommen hatte, und band ihn hinter Kobuk an die Leine. Die anderen Hunde jaulten unruhig, einer schnappte sogar nach ihm. »Keine Bange, Kobuk!«, sagte sie zu dem Leithund, »du bleibst der Chef. Captain läuft für Rusty mit. Er hat gut trainiert und macht euch bestimmt keinen Ärger. Seid freundlich zu ihm, hört ihr? Wir müssen nach Fairbanks runter und den Arzt oder Schwester Becky holen. Dorothy geht es schlecht, alles klar?«
Die Huskys schienen sie zu verstehen und beschnupperten sich lediglich neugierig, als sie ins Haus lief und neuen Proviant holte. Sie nahm auch ihr Gewehr mit, falls ihnen wieder ein Elch oder ein Grizzly in die Quere kommen sollte. Grizzlys hielten keinen echten Winterschlaf, hatte sie gelernt, eher eine Winterruhe, aus der sie mehrmals erwachten, um auf Nahrungssuche zu gehen. Solche Bären waren besonders gefährlich. Sie traute sich nicht zu, ein wildes Tier so zu treffen, dass es außer Gefecht gesetzt war, hoffte aber, es mit einigen Schüssen vertreiben zu können.
Für eine längere Pause, um sich aufzuwärmen und frischen Tee zu kochen, blieb ihr keine Zeit. Der lauwarme Tee in der Wärmeflasche musste genügen. »Alles okay, Captain?«, rief sie ihrem Husky zu. Sie stieg auf die Kufen und zog den Anker aus dem Schnee. »Vorwärts, Kobuk! Los, los, macht schon!«
Die Hunde glaubten wohl wieder, bei einem Rennen zu sein, und setzten sich so schnell in Bewegung, dass sie beinahe den Halt verlor. Adam hatte ihr erzählt, dass Kobuk tatsächlich einmal bei den All Alaska Sweepstakes mitgelaufen war. Er schwor die Hunde seines Teams darauf ein, möglichst schnell zu laufen, aber gleichzeitig auch mit den Kräften zu haushalten, um während der langen Fahrt nicht schlappzumachen.
Hannah stand mit leicht gebeugten Beinen auf den Kufen und lenkte den Schlitten über den langen Hügelkamm, der zum nahen Wald führte. Der böige Wind der letzten Tage hatte die hohen Schneewehen weggeblasen, und der Trail war gut befahrbar. In dem dichten Wald, durch den sie anschließend fuhr, lag teilweise sogar zu wenig Schnee, und die Kufen rutschten über den nackten Erdboden. Das Hecheln der Hunde und das Knarren des Schlittens waren zwischen den Bäumen besonders laut zu hören. Captain hatte sich gut eingefügt, lief, die Schnauze im Wind, willig mit den anderen Hunden mit.
Inzwischen war die Sonne untergegangen. Nur dem Schnee, der jedes nur erdenkliche Licht reflektierte, war es zu verdanken, dass sie überhaupt noch etwas sah. Die Huskys ließen sich nicht entmutigen und folgten dem Trail so schnell und sicher, als stände die Sonne am Himmel. Sie waren immer noch bei Kräften. Es dauerte sehr lange, bis ein Husky müde wurde und erschöpft zusammenbrach.
Das Unwetter brach herein, als sie den Wald verlassen hatte und bereits die leerstehende Hütte am Seeufer erkennen konnte, in der sie mit dem Postreiter übernachtet hatte. Von einer Sekunde auf die andere war sie in einem frostigen Tornado gelandet, der alles Leben zu ersticken und jeglichen Sauerstoff aus der Luft zu saugen schien.
Sie stürzte von den Kufen, bekam diesmal mit einer Hand die Haltestange zu fassen und wurde von den Hunden mitgeschleift, die sich hechelnd durch den Tiefschnee kämpften. Sie schaffte es, auf die Beine zu kommen, fiel noch einmal und rappelte sich wieder
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