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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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die Zuschauer schon glaubten, er werde landen, jagte er erneut in den Himmel, zündete einen Apparat, der roten, blauen und weißen Rauch aus einer Düse stieß und den riesigen doppelten Looping nachzeichnete, mit dem Frank Calloway seinen Kunstflug abschloss. Schließlich landete er sicher auf der Wiese und kam vor dem begeistert applaudierenden Publikum aus der Maschine geklettert.
    Vor seiner Jenny stehend schob er die Schutzbrille in die Stirn und verbeugte sich mehrmals. »Zugabe! Zugabe!«, riefen die begeisterten Zuschauer, und er hatte die passende Antwort parat. Mit erhobenen Händen brachte er die vielen Menschen zum Schweigen. »Ladys and Gentlemen!«, rief er erneut. »Natürlich werde ich Sie nicht ohne eine Zugabe verlassen! Es wird eine ganz besondere Zugabe sein, denn Sie werden diesmal mitfliegen.« Das erstaunte Raunen beantwortete er mit einem Lächeln. »Nein, keine Angst! Mit Ihnen werde ich keine Loopings drehen, sondern ganz brav und ruhig über diese Felder fliegen. Mit einem Dollar sind Sie dabei, meine Damen und Herren! Steigen Sie ein, und betrachten Sie Ihre Heimat von oben. Wer ist der Erste? Sie, mein Herr?« Er blieb vor einem Farmer stehen. »Oder Sie, meine Dame?« Er trat vor eine ältere Dame, die aber kichernd den Kopf schüttelte.
    Vor Hannah blieb er länger stehen. Sie errötete unter dem Blick seiner braunen Augen und glaubte auch bei ihm eine Spur von Verlegenheit zu entdecken, doch er fing sich sogleich wieder und zeigte ihr ein so gewinnendes Lächeln, dass sie ihm beinahe zu seiner Maschine gefolgt wäre. Nur aus Angst, in ihrem Blick könnte zu viel Bewunderung liegen und er könnte sie für ein schüchternes und leicht zu beeindruckendes Mädchen vom Lande halten, ließ sie einen Schritt zurücktreten. Sie zwang sich zu einem spöttischen Lächeln und bedauerte: »Mir ist heute nicht nach Fliegen zumute, Mister. Außerdem fährt der Pacific Limited jeden Moment ab, und ich muss dringend zurück.«
    »Dafür ist es leider schon zu spät«, erwiderte er und deutete grinsend zum Bahnhof hinüber. »Sieht ganz so aus, als wollten die ohne Sie weiterfahren.«
    Hannah starrte entsetzt auf den abfahrenden Zug. »Aber … wieso fahren die einfach los? Der Lokführer wollte doch dreimal pfeifen!« Sie lief ein paar Schritte. »Anhalten … Sofort anhalten! Nehmt mich mit!«, rief sie aus. »Ihr dürft mich nicht zurücklassen!« Sie drehte sich um. »Tun Sie doch etwas! Halten Sie ihn auf!«
    »Tja, meine Damen und Herren«, baute Frank Calloway ihr Missgeschick in seine Show ein, »diese Unverschämtheit eines Lokführers, eine hübsche Dame in eine solche Zwangslage zu bringen, gibt mir die Gelegenheit, Ihnen zu beweisen, wie überlegen dieses neue Fluggerät« – er deutete auf seine Maschine –, »wie überlegen es einem angeblich so fortschrittlichen und schnellen Expresszug wie dem Pacific Limited ist. Mit ihrem Einverständnis werde ich diese hübsche Lady zum nächsten Bahnhof fliegen und mindestens eine Stunde vor dem Eintreffen des Pacific Limited dort absetzen. Kostenlos natürlich! Und ich werde rechtzeitig zurück sein, um jeden Zuschauer, der sich ebenfalls mit mir in die Lüfte erheben will, auf eine Runde mitzunehmen.«
    Frank Calloway streckte seine Hand nach ihr aus, und Hannah blieb gar nichts anderes übrig, als ihm zu folgen und sich unter dem tosenden Beifall der Zuschauer in die Maschine heben zu lassen. »Und mit wem habe ich das Vergnügen?«, fragte er, als er ihr eine Fliegerkappe und eine Schutzbrille reichte.
    »Hannah Stocker aus New York«, stellte sie sich vor und stülpte die Haube über ihre langen Haare. »Und glauben Sie ja nicht, dass ich Angst habe!«
    »Nun, Hannah Stocker aus New York«, erwiderte er mit seinem unwiderstehlichen Lächeln, »dann wollen wir mal!« Er warf den Motor an und kletterte ins hintere Cockpit. »Halten Sie sich gut fest, Hannah, jetzt geht es los!«
    Hannah wusste nicht, wie ihr geschah. Kaum hatte sie sich die Schutzbrille übergestreift, hatte Frank die Maschine schon gedreht, und sie rasten über die Wiese einer Scheune entgegen. Sie klammerte sich mit beiden Händen ans Cockpit, aber kurz vor der Scheune hob die Jenny doch ab und gewann rasch an Höhe. Mit dröhnendem Motor rasten sie den Wolken entgegen, drehten nach Westen ab und folgten den Bahnschienen, die sich als endloses silbernes Band zum fernen Horizont zogen. Hannahs anfängliche Angst war wie weggeblasen. Das Gefühl, scheinbar schwerelos in der

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