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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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Luft zu schweben, war unbeschreiblich schön und entlockte ihr einen lauten Begeisterungsschrei.
    Mit gerecktem Daumen drehte sie sich zu Frank um, lachte ihn durch ihre Schutzbrille an. Der beantwortete ihren Gruß mit einem Kopfnicken, ließ die Maschine plötzlich links abkippen und eine Weile trudeln, fing sie wieder ab und flog weiter nach Westen. Hannah spürte, wie sich ihr der Magen umdrehte. Ihr war übel, und sie schaffte es nur mit großer Mühe, sich nicht zu übergeben. Wütend blickte sie nach hinten, eine Faust drohend erhoben. Dann aber beschloss sie, sich den besonderen Augenblick nicht verderben zu lassen. Kühn hielt sie ihr Gesicht in den Wind, vertrieb das flaue Gefühl aus ihrem Magen und konnte schon wieder lächeln, als sie über den Pacific Limited hinwegflogen, seine gelben Wagen innerhalb weniger Minuten so weit hinter sich ließen, dass man sie nicht einmal mit einem Feldstecher entdeckt hätte. Nur noch das leise Pfeifen der schweren Dampflokomotive war in weiter Ferne zu vernehmen.
    Direkt neben dem Bahnhof, an dem der Pacific Limited gerade hielt, um eine neue Crew aufzunehmen, landete Frank die Maschine. Er ließ sie neben dem Bahnsteig ausrollen und half ihr aus dem Cockpit. » Voilà , wir haben es geschafft!«
    Hannah riss sich die Lederkappe und die Schutzbrille vom Kopf und warf beides zu Boden. »Sie hatten versprochen, keine Kapriolen zu machen, Frank! Ich sollte Ihr Fell an den nächsten Baum nageln. Aber ich will nicht so sein. Haben Sie vielen Dank und leben Sie wohl!«
    »Aber ich würde Sie gern wiedersehen, Hannah!«
    »Dann müssen Sie bis nach Alaska fliegen, und selbst dort würde ich Ihnen einen Korb geben!« Den Rock gerafft und die Haare im Wind stapfte sie davon.

8
    Abbie Farnworth blickte überrascht von ihrem Nähzeug auf, als Hannah mit offenen Haaren den Wagen betrat und vor ihrem Abteil stehen blieb. »Wo waren Sie denn die ganze Zeit, meine Liebe? Wir haben uns schon Sorgen gemacht!«
    Hannah strich ihre Haare aus dem Gesicht und bündelte sie im Nacken. »Sie werden mir wahrscheinlich nicht glauben, aber ich habe in Central City den Zug verpasst und bin mit einem jungen Barnstormer nachgekommen.«
    »Barnstormer?«
    »Kunstflieger«, erklärte ihr Mann. Er sah nur flüchtig von seiner Zeitung auf, war schon wieder in die Aktienkurse vertieft. »Verrückte Piloten, die mit ihren Maschinen durch die Lande ziehen und den Leuten Kunststücke zeigen. Loopings und solche Sachen. Brotlose Kunst, wenn du mich fragst.«
    »Und mit so einem Mann sind Sie geflogen?«
    »Ich hatte gar keine andere Wahl«, berichtete Hannah. »Ehe ich mich’s versah, saß ich in der Maschine. Diese Barnstormers sind sehr … Sie sind etwas aufdringlich. Aber anders hätte ich den Zug auch nicht mehr erreicht.«
    »Na, dann ruhen Sie sich erst einmal aus.« Abbie nahm ihre Näharbeit auf. »Und heute Abend begleiten Sie uns in den Speisewagen und erzählen von Ihrem Abenteuer. Wir wollen alles ganz genau wissen, nicht wahr, Joseph?«
    Ihr Mann brummte unwillig. »Ich bin schon mal geflogen.«
    »Aber nicht mit einem Barnstormer«, sagte Abbie. »Das muss wahnsinnig aufregend gewesen sein. Sie machen uns doch das Vergnügen, Hannah?«
    »Gerne«, antwortete sie.
    In der Gesellschaft der Farnworths verging die Zeit wie im Flug. Hannah erzählte von ihren Eltern, die noch vor dem Krieg aus Deutschland geflohen waren, weil der heimatliche Bauernhof nichts mehr abgeworfen hatte, und den anstrengenden Jahren in New York, als sie vergeblich auf eine bessere Zukunft gehofft hatten. »Spätestens nach dem Tod meiner Mutter habe ich mir geschworen, mir meinen Traum zu erfüllen«, sagte sie. »New York ist eine faszinierende Stadt mit riesigen Wolkenkratzern, und ich glaube immer noch, dass jeder in seinem Leben die Brooklyn Bridge und die Freiheitsstatue gesehen haben sollte. Aber richtig warm bin ich nie mit der Stadt geworden. Man braucht viel Geld, um dort einigermaßen gut leben zu können, und in den Fabriken wird man ausgebeutet, das ist leider die traurige Wahrheit. Ich brauche eine solche Stadt nicht. Ich brauche freies Land, wie es die Pioniere im Westen vorgefunden haben. Ich will dorthin, wo man nur nach seinen Taten beurteilt wird und nicht nach seinem Vermögen. Ist das etwa zu viel verlangt, Abbie?«
    »Nicht für eine tapfere Frau wie Sie, Hannah«, antwortete Abbie. »Ich wollte, ich wäre so wagemutig und unternehmungslustig wie Sie gewesen, als ich jung war. Aber damals« –

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