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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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dieser riesige Berg mit den verschneiten Hängen, den man in der Ferne sieht. Wir suchen uns ein Tal, in dem man landen kann, und spielen Cowboy und Indianer. Sie glauben nicht, wie gut der Lachs schmeckt, wenn man ihn über einem offenen Feuer grillt. So was gibt’s nicht mal in einem Luxusrestaurant in New York City. Und der Mount Rainier, der liegt nicht umsonst in einem Nationalpark.«
    »Sie wollen mit mir fliegen?« Sie konnte es nicht glauben. »Sie wollen, dass ich noch mal in diese wackelige Kiste steige und mich von Ihnen reinlegen lasse? Das nächste Mal drehen Sie vielleicht einen Looping mit mir!«
    Er drehte die Mütze in seiner Hand und wirkte plötzlich wie ein schüchterner Junge auf sie. »Sie machen es mir wirklich schwer, Hannah. Ich hatte lediglich vor, Sie zu einem Picknick einzuladen. Andere Frauen wären froh, wenn jemand sie auf einen Flug zum Mount Rainier mitnehmen würde.«
    »Ich bin aber keine andere Frau …«
    Seine Miene verschloss sich, und er wurde jetzt wirklich wütend. »Nein, Sie sind eine eingebildete Schnepfe aus New York, die glaubt, was Besseres zu sein! Dann eben nicht! Suche ich mir eben ein Mädchen, das es zu schätzen weiß, wenn man es zu einem Rundflug um den schönsten Berg der Westküste einlädt!« Er wandte sich ab und stapfte wütend davon, blieb erst einen Häuserblock weiter wieder stehen und drehte sich noch einmal um. Er blickte abwartend zu ihr her.
    »Okay, okay, ich überleg’s mir!«, rief sie ihm nach. »Ich wohne im Elliott Hotel gegenüber. Schauen Sie morgen früh mal vorbei. Aber nicht zu früh, ich hab eine lange Zugfahrt hinter mir und möchte endlich mal ausschlafen.«
    Zu ihrer eigenen Überraschung winkte sie ihm noch einmal zu und überquerte dann die Straße. Eine Straßenbahn fuhr ratternd und klingelnd an ihr vorbei, gefolgt von einem Lastwagen, dessen Fahrer ihr einen neugierigen Blick zuwarf. Die restlichen Schritte zum Hotel legte sie im Laufschritt zurück. Schon jetzt tat es ihr leid, den Kunstflieger so hart angegangen zu sein, und sie drehte sich noch einmal zu ihm um, aber er war bereits in der Menschenmenge beim Fischmarkt untergetaucht. So etwas wäre Clara nicht passiert, dachte sie betrübt, die nahm das Leben lockerer und legte nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Ihre Freundin hätte Frank mit einem flotten Spruch aus der Reserve gelockt und dann begeistert zugesagt. Frank hatte recht. Wann bekam sie schon mal die Gelegenheit zu einem Rundflug samt Picknick?
    Das Seltsame war, dass sie Frank mochte. Er hatte ihr gleich bei der ersten Begegnung gefallen, besonders seine schlaksige Gestalt und seine braunen Augen, in denen ständig ein grünes Licht zu flackern schien.
    Hannah checkte in dem Hotel ein und bekam tatsächlich einen großzügigen Rabatt. Es machte ihr nichts aus, dass ihr Zimmer im vorderen Teil des dreistöckigen Gebäudes lag und man den ganzen Tag das Rattern der Straßenbahnen und das Hupen der Automobile hörte. Aus New York war sie viel größeren Lärm gewöhnt, und auf diese Weise hatte sie wenigstens die Docks mit den Dampfschiffen und Fähren und die weite Elliott Bay im Blick. Die Sonne stand bereits tief im Westen, als sie ihr Zimmerfenster öffnete, und spiegelte sich im ruhigen Wasser der Bucht. Das Tuten eines Dampfers klang herüber.
    Wenige Minuten vor dem Abendessen klopfte es an ihre Tür, und ein junger Hotelboy brachte ihr einen großen Rosenstrauß. Er grinste über beide Backen, als er die Blumen in eine mitgebrachte Vase stellte. »Für Sie, Miss!«
    Hannah gab ihm ein bescheidenes Trinkgeld, wartete geduldig, bis er gegangen war, und zog den kleinen Umschlag aus den Blumen. »Ich hole Sie um zehn Uhr ab, Frank«, stand auf der Karte. Und in Klammern darunter: »Keine Widerrede!«

9
    Pünktlich um zehn Uhr erschien Frank im Hotel. Hannah wartete auf einem Treppenabsatz im ersten Stock, bis er nach ihr gefragt hatte, und stieg erst dann in die Eingangshalle hinab. Ihre blonden Haare hatte sie im Nacken zu einem festen Knoten gebunden. In dem bequemen Rock, der Bluse und dem Mantel fühlte sie sich wesentlich wohler als in einem Kleid, und sie hätte sich nur feste Stiefel für ihren Ausflug in die Natur gewünscht. Die praktische Kleidung, die sie im hohen Norden brauchen würde, wollte sie sich erst in Alaska kaufen.
    Frank zeigte ein ehrliches Lächeln, das sie inzwischen von seinem »Hollywood-Gesicht«, wie sie es nannte, unterscheiden konnte, und begrüßte sie mit den Worten: »Hannah

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