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Im Land des weiten Himmels

Im Land des weiten Himmels

Titel: Im Land des weiten Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Wolfe
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auf Gott verlassen darf und dieses Gerede von guten und bösen Geistern nur fauler Zauber ist. Oder hat euch dieser Hokuspokus irgendwas gebracht? Warst du schon mal in einem Reservat? Hast du deine Brüder und Schwestern gesehen? Die meisten hängen an der Flasche und liegen den ganzen Tag nur faul herum. Haben ihnen deine Schutzgeister vielleicht geholfen? Du bist bei den Weißen aufgewachsen. Warum bleibst du nicht bei ihnen und machst was aus deinem Leben?«
    »Meine Zieheltern sind froh, dass ich sie verlassen habe. Und in Prince Rupert wollte man mich auch nicht haben. Ich muss diesen Weg gehen, Sir.«
    »Und was wolltest du von uns?«
    »Ich … Ich …«, stammelte er.
    »Du wolltest uns bestehlen, nicht wahr?«
    »Ich … habe Hunger, Sir.«
    Der Postreiter konnte es nicht lassen. »Und warum hast du eure Geister nicht gebeten, dir einen Elch zu schicken? Warum hast du dir keine Fische aus dem Fluss geholt? Ein Krieger würde niemals in diesem Wald verhungern. Er würde sich einen Speer schnitzen und auf die Jagd gehen. Wenigstens ein Eichhörnchen hättest du dir fangen können. Hab ich recht, Adam?«
    »Buddy!«, rief Hannah vorwurfsvoll.
    »Ich habe einen Fisch gefangen, aber das ist zwei Tage her, und …« Er wirkte verzweifelt. »Ich bin noch kein Krieger, Sir! Solange ich meinem Traum nicht gefolgt bin, würde man mich immer als einen Jungen ansehen. Ich möchte in beiden Welten überleben, Sir. Der indianischen und der weißen. Ich will, dass sich Weiße und Indianer besser verstehen, und das geht nur, wenn ich auch von meinem Volk lerne und den Pfaden folge, die meine Vorfahren gegangen sind.« Er warf einen schüchternen Blick auf Hannah, als erwartete er auch diesmal Hilfe von ihr. »Darf ich jetzt gehen?«
    »Warte!«, hielt ihn Hannah zurück. »Und Sie stecken endlich Ihr Gewehr weg, Buddy! Wir sind hier nicht im Wilden Westen. Der Junge hat Hunger und will etwas zu essen, weiter nichts.« Sie öffnete eine Satteltasche, holte die beiden Sandwiches heraus, die sie noch übrig hatte, und reichte sie dem Jungen. »Hier … Mehr kann ich leider nicht entbehren. Lass sie dir schmecken!«
    Adam griff zögernd danach.
    »Was ist mit Ihnen, Buddy?« Hannah blickte den Postreiter vorwurfsvoll an. »Wenn ich mich recht entsinne, haben Sie einen halben Schinken in Ihrer Satteltasche. Schneiden Sie ihm ein Stück ab. Oder wollen Sie, dass ich Sie einen gemeinen und herzlosen Geizhals nenne? Nun machen Sie schon!«
    Buddy blieb gar nichts anderes übrig, als den Schinken auszuwickeln und dem Jungen ein Stück abzuschneiden. »Hier«, brummte er widerwillig. »Sei froh, dass diese Verrückte bei mir ist. Von mir hättest du nichts bekommen!«
    »Weil Sie ein Egoist sind!«, sagte Hannah.
    »Weil ab morgen alle Indianer der Gegend zu mir kommen und glauben, mir auf der Tasche liegen zu können, deshalb! Oder bin ich der heilige Martin?«
    »Dann packen Sie eben nächstes Mal etwas mehr ein.«
    »Verfluchte Weiber!«, schimpfte er leise.
    Der Junge hatte bereits eines der Sandwiches ausgepackt und biss heißhungrig hinein. Er musste mörderischen Hunger haben, so wie er jeden Bissen verschlang. Seine dunklen Augen leuchteten vor Dankbarkeit.
    Hannah betrachtete ihn zufrieden.
    »Okay«, drängte der Postreiter, »Sie haben Ihren Willen gehabt und einem verrückten Indianer das Leben gerettet. Aber wenn wir jetzt nicht weiterreiten, kommen wir nie bei Ihrem Onkel an. Oder wollen Sie hier übernachten?«
    »Nein, Sir.« Sie salutierte spielerisch. »Ich komme, Sir.«

16
    Schon als sie den Rand der weiten Senke erreichten und auf das Blockhaus ihres Onkels am Ufer des Gold River hinabblickten, ahnte Hannah, dass etwas nicht stimmte. Von dem abendlichen Dunst, der über dem Fluss und den umliegenden Wäldern hing, schien eine Bedrohung auszugehen, als gäbe es tatsächlich böse Geister, wie die Indianer behaupteten, böse Geister, die sich anschickten, hier die Herrschaft zu übernehmen.
    »Seltsam«, sagte Hannah leise.
    »Irgendwas ist da faul«, erkannte auch Buddy. »Sehen Sie die Felsen hinterm Haus? Da liegt sein Stollen. Wenn er nach Gold suchen würde, müsste man ihn hämmern und fluchen hören, und wenn er im Haus wäre, würde der Schornstein rauchen. Sein Boot liegt an der Anlegestelle, das hat er sowieso selten benutzt, hatte mit Chief Alex und seinen Wilden, die weiter flussaufwärts ihr Dorf haben, nie was im Sinn. Er muss auf der Jagd sein.«
    Hannah erinnerte sich an den Brief, den sie ihrer

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