Im Land des weiten Himmels
Trümmer mehrerer Blockhäuser, die anscheinend einem Gewitter zum Opfer gefallen waren, die verrosteten Teile eines Ofens, löchrige Goldwaschpfannen, zerbrochene Werkzeuge, die Hälfte eines Wagenrads und unzählige Konservendosen. Zahlreiche Bäume waren vor langer Zeit gefällt worden, an vielen Stellen war die Erde aufgerissen. Zwischen den Trümmern lagen ein verwittertes Elchgeweih und die Knochen mehrerer Tiere.
»Dies war das Lager der Goldsucher, die vor dem Dutchman in unsere Jagdgründe kamen«, sagte Chief Alex mit fester Stimme. Der stramme Marsch schien ihm nichts ausgemacht zu haben. »Weiße Männer, die nur hier waren, um sich an dem gelben Metall zu bereichern. Sie schlugen große Löcher in die Felsen, rissen die Erde auf und schossen alles Wild, das ihnen in die Quere kam. Sie waren von bösen Geistern besessen, die ihnen dabei halfen, unsere Frauen in ihre Häuser zu locken und sie mit ihren schmutzigen …« Er sagte ein indianisches Wort, das so hasserfüllt klang, dass es sich nur um ein verächtliches Schimpfwort handeln konnte. »… zu entehren. Zwei unserer Frauen stürzten sich von der großen Felswand, als sie merkten, dass sie ein Kind von den weißen Teufeln in ihrem Leib trugen. Wir waren zu schwach, um uns gegen sie aufzulehnen, und die Regierung weigerte sich, uns zu helfen. Erst als sie kein Gold mehr fanden und sie unserer Frauen überdrüssig waren, verschwanden sie.«
Hannah war ehrlich entsetzt. »Das tut mir leid, Chief Alex.«
»Der Dutchman war anders. Ihn haben wir gewähren lassen, obwohl ihn einige der jungen Krieger am liebsten getötet hätten.« Er starrte auf die verkohlten Trümmer und sagte dumpf: »Doch du wirst ein Roadhouse bauen und die bösen Geister zurück in unsere Jagdgründe holen. Statt der Goldsucher werden andere weiße Männer kommen, die mit den bösen Geistern im Bunde sind, und es wird erneut Wehklagen in unseren Häusern geben. Deshalb musst du gehen, weiße Frau! Mehr habe ich nicht zu sagen.«
Bevor Hannah antworten und ihm versichern konnte, dass das Gesetz der Weißen bis in dieses abgelegene Tal reichte, war er verschwunden. Nicht einmal seine Schritte waren mehr zu hören.
Von schweren Gedanken geplagt wanderte sie zum Haus zurück. Sie waren weiter weg gewesen, als sie vermutet hatte, und sie brauchte mehr als eine halbe Stunde, um es zu erreichen.
Captain jagte gerade Mäuse und begrüßte sie übermütig. Anscheinend hatte er beschlossen, seinem Herrn nicht länger nachzutrauern. Er sprang ein paar Schritte neben ihr her und kümmerte sich dann wieder um seine Mäuse, die aber längst in ihren Löchern verschwunden waren. Genau die Ablenkung, die sie jetzt brauchte. »Pech gehabt, Captain!«
Im Haus räumte sie ihren Teller weg und machte sich an die Einkaufsliste, die sie Buddy Lyman mitgeben wollte, wenn er das nächste Mal kam. Dass sie kein Geld hatte, war ein Problem, das dringend gelöst werden musste. Noch konnte sie auf die Rückkehr ihres Onkels hoffen, aber falls er tot war und das Gold verloren, musste sie irgendwie an einen Kredit kommen. Ihr fielen so viele Dinge ein, dass sie schon bald ein zweites Blatt Papier brauchte. Mehl, Zucker, Reis, Nudeln, Kaffee, Tee, Dosenmilch … Die Liste wurde immer länger. Gewürze, Eier zum Backen oder am besten gleich ein paar Hühner, sie hatte hinter dem Haus einen kleinen Verschlag mit Auslauf gefunden, wo ihr Onkel früher sicher Hühner gehalten hatte. Zusätzliches Geschirr, Besteck, Gläser, vor allem Gläser. Und die Getränke. Ginger Ale wurde seit Beginn der Prohibition besonders gern getrunken. Nicht zu vergessen die beiden Betten und die Matratzen für die Gästezimmer … Mein Gott, würde man ihr wirklich einen so hohen Kredit gewähren?
Auch in dieser Nacht schlief sie unruhig, aber nicht wegen des Häuptlings. Er ließ sich nicht mehr blicken, und das einzige Geräusch, das zu hören war, stammte von Mäusen, die ins warme Haus geflüchtet waren. Der Einkaufszettel machte ihr zu schaffen. Jedes Mal, wenn sie aufwachte, fiel ihr etwas ein, das sie vergessen hatte, und sie konnte von Glück sagen, dass sie den Zettel auf ihrem Nachttisch liegen hatte, sonst wäre sie wohl alle Augenblicke nach unten gelaufen. »New York Times«, schrieb sie als Letztes auf den Zettel. »Nicht zu alt, falls aufzutreiben« setzte sie in Klammern dazu.
Der Postreiter traf am frühen Morgen ein. Auch auf seiner Tour zu den weiter entfernten Indianerdörfern hatte er nichts Neues über
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