Im Leben wird dir nichts geschenkt.
Weise war ich schon eine erfahrene junge Dame, als ich Vesti begegnete. Das Gefühl, das er bei mir weckte, kannte ich schon, und ich wusste mit meinem Körper Bescheid. Die physische Welt, die ich gerade erkundete, und die Welt der Liebe vereinten sich in diesem Jungen. Damals war ich nur noch nicht alt genug, um eine bewusste Beziehung zwischen beiden herzustellen. Ich konnte nicht ganz erkennen, wo der Unterschied zwischen den Gefühlen lag, die der gute alte Brausekopf bei mir auslöste, und denen, die ich in der Gegenwart von Vesti empfand. Am besten verstand ich, dass das, was mit der Dusche passierte, immer abrupt zu Ende war. Wenn es vorbei war, dann war es vorbei. Was ich bei Vesti empfand, hielt an. Viele Jahre später versuchte ich jahrelang, die beiden Welten des Physischen und des Emotionalen zusammenzubringen.
Die Liebe, die ich in diesem Urlaub fand, war neu. Sie war warmherzig, aufregend und zugleich ein tröstliches Gefühl. Ich fühlte mich geborgen, auch wenn ich weiß, dass viele Frauen Liebe nicht mit Sicherheit in Verbindung bringen würden. Für mich war es das alles auf einmal. Natürlich funktioniert diese Art Liebe nur, wenn der andere auch diese Sicherheit empfindet und die Gefühle erwidert werden. Vesti schien sich für mich zu interessieren, doch ich bin mir heute sicher, dass nur ich richtig verliebt war. Schließlich waren wir erst neun, und ich glaube nicht, dass er viel zu erwidern hatte. Ich war einfach nur davon überwältigt, solche Gefühle zu haben – ich war so stolz, kam mir so groß vor. Das war mir im Leben das Wichtigste – und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Die Liebe ist mit den Jahren gekommen und gegangen, doch ich hätte nie ohne diese Empfindungen leben wollen, egal, wie schwer es zuweilen wurde. Vielleicht war Vesti so etwas wie ein Warnsignal, wäre ich nur alt genug gewesen, um es zu verstehen. Liebe zehrt sämtliche Energie auf, die ich in meinem Körper und meiner Seele habe. Selbst mit neun forderte sie alles in mir, und ich spürte, dass sie einen ein ganz kleines bisschen um den Verstand bringt. Ich glaube, ich war schon damals irgendwie süchtig nach diesem gewaltigen Kick. Das deutete auf eine weniger gesunde Seite der Liebe hin. Doch falls Vesti eine Warnung vor dem war, was später kommen würde, stellt sich die Frage, ob ich es bedaure, nicht darauf geachtet zu haben. Nein. Ich hätte keines meiner Liebesabenteuer missen wollen. Sie brachten mich an erstaunliche Orte, und selbst wenn ich um den einen oder anderen lieber einen Bogen gemacht hätte, was soll’s. Man hat keine Kontrolle darüber, wohin einen die Liebe führt.
Ich habe nie mit Vesti Händchen gehalten, und wir haben uns nie geküsst. Wahrscheinlich hielt er mich einfach nur für eine alberne Gans, weil ich mich so sehr für ihn interessierte. Doch wir drückten unsere Gefühle so aus, wie es Acht- und Neunjährigen angemessen ist. Er jagte mir hinterher, wir neckten uns und verbrachten Zeit miteinander. Wir benahmen uns wie ganz gewöhnliche Kinder, doch Vestis Aufmerksamkeit gab mir dieses besondere, kribbelnde Gefühl.
Die andere Liebe, die in jenem Sommer begann, sollte ein Leben währen. Liselotte und ich fanden einen Hof mit ein paar Ponys, und die Eigentümer erlaubten uns, sie zu reiten. Ich war ihnen vom ersten Moment an verfallen, und ein Pony namens Magic hatte es mir besonders angetan. Ich weiß nicht, was für eine Rasse oder wie alt es war, aber ich wollte so viel Zeit wie möglich mit ihm verbringen. Ich kümmerte mich um das Tier, gab ihm sein Futter und ritt auf ihm aus. Manchmal steckte ich einfach nur die Nase in seine warme Mähne – ich liebte den betörenden Duft von Pferden an mir. Seitdem ist Reiten eine große Leidenschaft geblieben. Alles an Pferden ist wunderbar – sie zu umarmen, auf ihnen über die Hügel zu galoppieren oder ihnen nach einem Ritt am Abend einfach zuzuhören, wenn sie im Stall ihr Futter mampfen.
Das Reiten auf den Ponys machte mich in diesem Sommer so glücklich und unbeschwert. Nachdem wir aus den Ferien zurückgekehrt waren, fuhr ich mit dem Rad zu den Stallungen außerhalb von Kopenhagen und brachte viel Zeit damit zu, die Pferde zu striegeln. Zur Belohnung durfte ich jede Woche eine Stunde lang kostenlos reiten. Ich blickte in diese sanften, dunklen Augen, die groß genug waren, alle meine Gedanken zu fassen, und sie gaben mir das Gefühl, als könnten sie das Gemeine aus dem Leben verbannen. Die Beziehung zu ihnen war
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