Im Leben wird dir nichts geschenkt.
alles zu Ende zu denken. Eigentlich habe ich immer diese warnende Stimme in mir gehabt, die mir sagt, einen Schritt zurückzutreten und über eine Situation nachzudenken. Mir wurde in meinem Elternhaus beigebracht, wie wichtig rationale Überlegungen sind, doch ich habe immer mehr auf meine Instinkte gehört. Als Kasper mir den Antrag machte, sprang ich auf und schrie sofort »Ja, ich bin dabei!«.
Wir heirateten in einer Kirche in Christianshavn, im ältesten Teil von Kopenhagen. Es hätte nicht romantischer sein können. Es schien mir, als wäre es das für immer. Meine Gäste waren Mum, Dad und Jan, meine Großeltern, ein Onkel und eine Tante. Kasper dagegen hätte ganz Christianshavn füllen können. Er hatte einen riesigen Freundeskreis, und eine riesige Familie, doch die meisten Gäste, die er eingeladen hatte, kamen aus der Schallplattenindustrie, und wir hatten eine Menge coole Musik für unsere Feier.
Meine Mum und ich fanden mein Kleid in einem winzigen Geschäft, und es war äußerst schlicht, fast ohne Accessoires. Kasper trug ein sehr elegantes Jackett, und als ich ihn dort stehen sah, war ich so froh, dass ich ja gesagt hatte, auch wenn alles so schnell gegangen war. In unserer Wohnung hatten meine Mum und Kaspers Familie Tische aufgestellt und mit Blumen geschmückt, und statt zu einer traditionellen Hochzeits-Band tanzten wir mit sechzig Gästen zu den Klängen der Stones, von Bowie und Dylan in die Nacht. Es war perfekt.
Ich war allein in einem deutschen Hotelzimmer. In der Hand hielt ich ein kleines Testgerät aus Plastik: Es sagte mir, dass sich mein Leben sehr bald für immer verändern würde. Ich war seit zwei Monaten verheiratet. Ich wusste schon, dass etwas im Busch war – meine Periode war immer ganz regelmäßig gewesen, und ich machte den Test schnell, während ich beruflich unterwegs war. Viele junge arbeitende Frauen wären über die Folgen für ihre berufliche Laufbahn entsetzt gewesen, besonders diejenigen, die wie Models mit Körpereinsatz arbeiten, doch ich war über die Neuigkeit vollkommen glücklich. Ich sah einfach kein Problem darin. Ich freute mich auf ein friedliches Familienleben: Darauf würde ich mich künftig konzentrieren.
Schwer war für mich dagegen, dass meine Mutter über die Nachricht von meiner Schwangerschaft nicht nur schockiert, sondern am Boden zerstört war, und die Erinnerung an ihre Reaktion lässt mich bis heute nicht los. »Was hast du dir nur dabei gedacht?«, fragte sie. »Ach, Gitte …« Mum hatte in meinem Alter genau dasselbe getan, wir waren zwanzig Jahre auseinander. Sie wusste, was es für junge Leute bedeutete, doch ich sah keinen Grund, weshalb ich davor zurückschrecken sollte. Ich wollte wie meine eigenen Eltern sein. Vielleicht würde ich am Ende doch noch in die örtliche Bücherei und Bäckerei zurückkehren; das wäre in Ordnung gewesen.
Kasper stand hundertprozentig hinter mir. Er hatte bereits mit sechzehn einen Sohn bekommen – Oliver. Er war in allem sehr umsichtig und versicherte mir, es gebe keinen Grund zur Sorge. Meine Schwangerschaft gehörte zu unserer guten, intakten Beziehung. Ich für meinen Teil liebte die wachsende Wölbung und das Leben, das ich bald in mir spürte. Ich war so aufgeregt und fragte ständig meine Mum, was gerade vor sich ging und womit in den nächsten Monaten zu rechnen war.
Nach sechs Monaten bekam ich hohen Blutdruck, und die Ärzte sorgten sich darum, wie sich das sowohl auf mich als auch das Baby auswirken könnte. Ich musste häufig ins Krankenhaus, bis ich schließlich gar nicht mehr nach Hause durfte, obwohl ich noch zweieinhalb Monate vor mir hatte. Ich fühlte mich mit dem Baby schon so verbunden, dass die erzwungenen Einschränkungen mir längst nicht so viel ausmachten, wie man hätte annehmen können – meine Erinnerungen an jene Zeit sind eindeutig positiv. Zwar war es für jemanden mit meiner Energie nicht leicht, so lange untätig zu sein, doch irgendwie schaffte ich es, mich zusammenzureißen, und außerdem richtete Mum in meinem Zimmer praktisch eine Bibliothek ein. Überall stapelten sich Bücher und Zeitschriften, und erst bei der Geburt wurde es ernst.
Aufgrund des hohen Blutdrucks kam das Baby nicht durch. Es kam einfach nicht heraus – sein Kopf bewegte sich, zog sich aber wieder zurück. 36 Stunden versuchte ich es, bevor die Ärzte in einem vergeblichen, doch äußerst schmerzhaften Versuch mit Instrumenten eingriffen, um den Geburtskanal zu öffnen. Schließlich mussten sie
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