Im Leben wird dir nichts geschenkt.
ich David zurückgerufen. »Meinetwegen«, sagte ich zu ihm. »Ich treffe mich mit dem Produzenten.«
Auf dem Flug nach Mailand war ich angespannt. Was mache ich hier eigentlich? , dachte ich. Ich war unsicher und fragte mich, wie ich in meinem weißen Tanktop aussah. Wie sich später zeigte, bekam ich – genau wie die anderen neunzig Kandidatinnen – ein Kostüm, eine Wikingertracht mit einem Schwert, die aussah, als stammte sie aus einem Kostümverleih, und ich sollte mir sechs Seiten Text in vierzig Minuten merken.
Ich hatte keine Ahnung, wie man einen Vorsprechtermin absolviert und wusste nicht recht, ob ich auf mich sauer sein sollte, weil ich mich zwischen all diesen Mädchen in eine solch missliche Lage gebracht hatte, oder ob ich einfach nur hysterisch lachen sollte. Ich brauchte ein paar Minuten, um mich zu beruhigen, während ich das kuriose Kriegerkostüm anzog und erkannte, dass ich gar nicht die Zeit hatte, so viel Dialogtext auswendig zu lernen. Gib einfach dein Bestes , dachte ich. Das half ein bisschen, doch ich fühlte mich so unvorbereitet. Ich hatte dieses lächerliche Kostüm an, kam mir aber trotzdem nackt vor. Die Giraffe in Wikingerkluft. Aber was soll’s – in zwei Stunden kann ich schon wieder im Flieger nach Hause zu meiner Familie sitzen .
Wir erfuhren, dass der Film Red Sonja heißen sollte, eine Adaptation eines Marvel-Comics. Da ich weder von dem Comic noch von Marvel je gehört hatte, half mir die Information nicht weiter. Die gesamte Atmosphäre beim Casting war völlig anders, als ich es vom Modeling her kannte. In meinem Beruf hatte ich schon tausend solche Termine hinter mir, doch hier spürte man deutlich mehr Konkurrenz zwischen den Anwärterinnen. Jede von ihnen war verzweifelt hinter dieser Hauptrolle her, die Eifersucht war förmlich zu riechen. Während hoffnungsvolle Models mit ihren Rivalinnen plauderten oder sogar eine Wohnung mit ihnen teilten, ging es hier sehr zickig und sehr kalt zu. Irgendwie fand ich es komisch, weil das hier nicht meine Welt war, und ich wusste, dass ich keine von ihnen wiedersehen würde. Je schneller ich aus diesem albernen Kostüm herauskam, desto besser. Das hier passte nicht zu mir.
Als schließlich mein Name aufgerufen wurde, wurde ich Richard Fleischer, dem Regisseur, vorgestellt, der zusammen mit zwei anderen Männern hinter einem langen Tisch saß. »Bitte, legen Sie los«, sagte er. Ich schenkte ihnen mein strahlendstes, aufrichtigstes dänisches Lächeln und erklärte ihnen, ich könne mich an keine Zeile ihres Drehbuchs erinnern: »Ich bin keine Schauspielerin, tut mir wirklich leid.« Dann tat ich so ziemlich das Einzige, was ich wirklich zustande brachte – ich reckte das Schwert in die Luft.
»Halt, halt, halt«, sagte Richard. »Wir sagen Ihnen, was Sie tun sollen.« Er bat mich, ein Gesicht aufzusetzen, als wäre ich richtig glücklich. Danach sollte ich verwirrt aussehen – kein Problem. Auch verführerisch war ziemlich einfach. Als Nächstes sollte ich so aussehen, als würde ich im nächsten Moment alles opfern; und das Schwerste kam am Schluss: Ich musste auf Kommando weinen. Irgendwie schaffte ich das alles, auch wenn sich in das Weinen ein wenig Kichern mischte.
»Vielen herzlichen Dank«, sagte Richard, so wie es Regisseure eben tun. »Wir melden uns.« Ich kam mir ziemlich dämlich vor, als ich in meiner Wikingerausrüstung aus dem Zimmer trottete. Was zum Teufel habe ich mir nur dabei gedacht? Dieser Regisseur muss mich für einen Volltrottel gehalten haben , dachte ich. Und so redete ich mir zum Trost ein, dass ich sowieso nie in einem Film mitspielen wollte.
Ich saß gerade in der Ankleide, als eine plumpe, kleine Italienerin kam und mich noch einmal zurückrief – »Mr. Fleischer möchte Sie sehen«.
Der Film wurde von dem legendären Dino De Laurentiis produziert, und als ich eintrat leistete er Richard im Büro Gesellschaft. Dort stand auch ein Schreibtisch mit zwei Stapeln Papieren. De Laurentiis war ein kleiner Mann mit einer tiefen Stimme, die beherrschende Persönlichkeit im Raum. Ich nutzte die Gelegenheit, um mein kümmerliches Italienisch an den Mann zu bringen.
»Sie sprechen italienisch?«, fragte er. Ich lachte und erklärte ihm, ich hätte beim Modeling ein wenig aufgeschnappt. »Sie haben Ihre Sache sehr gut gemacht«, fuhr er fort. »Da liegt das Drehbuch und da der Vertrag. Sie haben die Rolle. Was gedenken Sie zu tun?« Es trat eine Pause ein, in der ich auf der langen Leitung stand. Ich
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