Im Leben wird dir nichts geschenkt.
Brocken aufschnappte. Luca war ein Einzelkind, und ich wurde zur Tochter, die seine Mutter nie gehabt hatte – sie war sehr freundlich.
Wir verbrachten viel Zeit in San Siro, einem sehr attraktiven Teil der Stadt voller schöner Cafés. Dort gab es Läden mit teuren, handgenähten Kleidern von Top-Designern, und darüber hinaus war die Gegend für ihr riesiges Fußballstadion bekannt. Ich hatte nur wenig Zeit, das alles zu genießen. Ziemlich oft musste ich für Fototermine nach Paris zurück oder für mehrere Tage auf irgendwelche exotischen Inseln, und immer häufiger gab es Termine in den USA. Wäre ich nicht Luca zuliebe geblieben, wäre ich vermutlich nach New York, der zweiten Modemetropole nach Paris, umgezogen, doch es war vorerst eine der glücklichsten Phasen in meinem Leben, auch wenn das ständige Reisen anstrengend war und schließlich auch für die Beziehung zur Belastung wurde.
Gegen Ende des Jahres, das wir miteinander verbrachten, bekamen wir häufiger Streit, der schließlich in handfeste Auseinandersetzungen ausartete. Ich nahm ab, was ich mir wirklich nicht leisten konnte, und wurde irrational eifersüchtig. Ich beschuldigte Luca, mit anderen Frauen rumzumachen. Ich wurde ziemlich unglücklich, und es konnte nicht so weitergehen. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem wir Schluss machten. Damals war Meat Loaf gerade der Renner, und Luca hatte einen Kassettenrekorder in dem winzigen Zimmer, das in der Zeit mit ihm mein Zuhause gewesen war. Als ich wütend meine Kleider aus dem kleinen Schrank zog, wusste ich, dass es vorbei war. Luca spielte aus dem Album Bat out of Hell , der Hymne auf die tragische Teenager-Liebe, die in den Achtzigerjahren die ohrenbetäubende Hintergrundmusik zu Millionen von jugendlichen Schlafzimmerdramen abgegeben hatte, »Paradise by the Dashboard Light«.
Ich schnappte mir eine Handvoll T-Shirts und verabschiedete mich von allem … dem glücklichen Zuhause … den durchtanzten Nächten … den Motorradfahrten durch Mailand … allem, was wir miteinander geteilt hatten und was mir so viel bedeutete. Es war nichts Außergewöhnliches gewesen, Meat Loaf brachte das so gut zum Ausdruck, doch für mich brach eine Welt zusammen. Ich war in einem Alter, in dem alles emotional aufgeladen war, doch wenn ich ehrlich bin, brauchte ich wohl Jahre, um über Luca hinwegzukommen.
Meine Angstattacken setzten wieder ein. Ich hatte keine Zuflucht, an der ich mich geborgen fühlte, und obwohl ich mich in meine Arbeit stürzte, war ich sehr verletzlich. Das Heimweh schwappte wie mächtige Wogen durch meinen ganzen Körper. Nach einem richtig schlimmen Anfall, bei dem ich bewusstlos wurde, landete ich im Krankenhaus. Mein Blutdruck schoss in die Höhe, und ich bekam Fieber. Meine Mutter kam mit dem Flugzeug, und die Ärzte erklärten ihr, ich litte an Stress. Nach meiner Entlassung empfand ich nur noch Überdruss: Der oberflächliche Lebensstil des Models höhlte mich aus. Die ständigen Reisen, die Forderungen der Casting-Agenten wie auch der Agenturen, die hartnäckige Nähe der Playboys, die Fotografen, die bereits ungeduldig warteten, sobald ich aus dem Flieger stieg. Außerdem fehlte mir die intellektuelle Stimulation. Vielleicht erinnerte mich das Wiedersehen mit meiner Mum an die Liebe zu Büchern, mit der ich groß geworden war; in der Bücherei hatte es immer etwas Neues und Interessantes gegeben. Das brauchte ich wieder. Ich wollte kreativ sein, Songs schreiben, außerdem meine Familie regelmäßig sehen und wieder festen Boden unter den Füßen haben. Ich rief die Agentur an und erklärte, es sei vorbei. Punkt.
Sie hatten noch nie etwas so Schockierendes gehört. Sie sagten, das seien Depressionen, die viele Mädchen erwischten. Ich sei gerade am Zenit meiner Karriere. Ich sei gerade mal zwanzig und hätte bereits ein beispielloses Modelbuch. Dies sei ein äußerst schlechter Zeitpunkt, um meiner Laufbahn ein Ende zu setzen. Doch ich meinte es ernst. Sie ließen nicht locker – ich verdiente doch so viel Geld, ich bekäme so viele Engagements.
»Wollen Sie uns verarschen?«, fragten sie.
Als ich »Nein« sagte, meinte ich es auch. Ich stieg in ein Flugzeug nach Dänemark. Ich wollte Frieden finden und mir überlegen, was ich für den Rest meines Lebens beruflich machen wollte. Es war Zeit, darüber nachzudenken, ob ich mit meiner Ausbildung weitermachen und vielleicht studieren wollte. Das Einzige, was mir im Weg stehen sollte, war mein Herz – wie immer, hatte es seine
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