Im Leben wird dir nichts geschenkt.
hatte, und fühlte mich der eigentlichen Produktion, die in Rom zügig voranging, gewachsen.
Die Erfahrung am Drehort sollte mir unvergesslich bleiben. Die Arbeitsweise der Crew war mir wie auf den Leib geschnitten. Ich merkte, dass ich für die Schauspielerei eine Leidenschaft entwickeln konnte, die ich beim Modeling nie empfunden hatte. Der Film besaß eine Magie, die zu mir passte. Es ging darum, eine Figur zu schaffen und Gefühle auszudrücken, während man sich als Model immer zurücknehmen muss. Hübsch auszusehen und eine gute Figur zu haben, waren physische Attribute, auf die ich nur begrenzten Einfluss hatte. Am Set spielten diese Dinge keine Rolle, falls es mir nicht auch gelang, als Darstellerin zu überzeugen – dort ging es um so viel mehr Kreativität.
Selbst wenn die Kameras nicht liefen, war ich nicht einfach nur Gitte. Alle nannten mich »Miss Nielsen«. Ich war ein Star! Ein Assistent war eigens für den Kaffeeautomaten da, ein anderer hatte nur die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ich genug zu essen hatte. Allein schon die Aufmerksamkeit, die ich bekam, war ziemlich cool, und dieses Leben entschädigte mich für das bescheidene Honorar. Für sieben Monate Arbeit bekam ich gerade mal fünfzehntausend Dollar, ein Hungerlohn im Vergleich zu dem, was ich als Model verlangen konnte und wahrscheinlich weniger, als das Gehalt, das bei dieser Produktion, die mehrere Million Dollar verschlang, für eine Sekretärin bezahlt wurde, doch das war mir egal. Ich lernte dabei so viel und hatte so viel Spaß, dass ich es notfalls umsonst gemacht hätte. Alle mussten als Team zusammenstehen, damit die Produktion gelang – vom Regisseur bis hin zu dem Mann, der das Set sauber hielt. Wir alle mussten uns mächtig ins Zeug legen, um diesen Film zustande zu bringen, und ich fand das toll.
Schon bald lernte ich den Film-Ausdruck »Beeil dich und warte«. Tatsächlich verbrachte ich die meiste Zeit damit, irgendwo herumzuhängen und auf den einen Moment zu warten, in dem sie mich vor die Kameras stellten und alle gespannt warteten. In genau dieser Sekunde verstummte dann alles, und sobald die Szene gedreht wurde, musste ich meinen ganzen Text auswendig können und sämtliche Bewegungen beherrschen – und sie mit Leben erfüllen. Manchmal gab es Explosionen, oder das ganze Set klirrte und bebte unter den Kämpfen, und Feuer prasselte, doch mitten in diesem Chaos musste ich mich auf meinen kleinen Part konzentrieren. Ich musste mich an so vieles gewöhnen, doch ich hatte das Gefühl, ans Ziel gekommen zu sein, und wusste jetzt mit einundzwanzig Jahren, was ich im Leben machen wollte. Bis heute liebe ich dieses Gefühl, egal in welchem Film ich mitgewirkt habe.
Am Set herrscht stets Chaos und ein Anflug von Hysterie; Regisseure arbeiten oft bis an den Rand des Wahnsinns, um ihre Ideen umzusetzen. Im Laufe der Dreharbeiten entwickeln alle so intensive Beziehungen miteinander, dass allein schon die schiere Menge an unterschiedlichen Leuten, die verschiedene Aufgaben erfüllen, jeden Tag für neuen Trubel und Wirbel sorgten. Doch am Ende kommt tatsächlich etwas dabei heraus – es bleibt dem Team auch gar nichts anderes übrig.
Während der Dreharbeiten saugte ich die Atmosphäre förmlich in mich auf, doch bei Feierabend war ich gewöhnlich sehr still und kehrte in meine Wohnung zurück. Ich war in der Nähe der Küste außerhalb von Rom einquartiert, und eine Zeit lang waren auch Kasper und Julian bei mir, doch das Arrangement erwies sich nicht als sinnvoll, da ich sechs Tage die Woche, meist mit Überstunden, arbeitete und sie am Ende einfach nur herumhingen und nichts Sinnvolles zu tun hatten. Julian war eigentlich noch zu klein für solche ständigen Wechsel in seinem Leben, und Kasper konnte daheim mit seiner Musik weitermachen.
Also besuchten wir uns wechselseitig und riefen uns ansonsten jeden Abend an, um uns zu erzählen, wie es jeweils bei uns lief. Doch irgendetwas hatte sich geändert. Die Tage mit Sonja schienen länger und meine Gespräche mit Kasper kürzer; wir redeten, ohne uns wirklich etwas zu sagen. Während Julian immer im Mittelpunkt unserer Gespräche stand, verloren wir allmählich aus dem Auge, wie es Kasper und mir jeweils ging. Es dauerte nicht lange, und wir sagten nicht mehr »Ich liebe dich«. Wir plauderten eher wie enge Freunde miteinander, mit Respekt, doch zunehmender Distanz. Die Leidenschaft wich so etwas wie Vertrauen und Routine. »Die Chemie stimmte nicht mehr.« Es war ein
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