Im Leben wird dir nichts geschenkt.
größte Teil dieses Tages aus meinem Gedächtnis getilgt ist. Um zu rekapitulieren, wer da gewesen und wie die Zeremonie abgelaufen ist, musste ich meine Mutter anrufen. Mein Psychotherapeut hat dazu folgende Theorie: Meine Ehe mit Sylvester ging so gehörig daneben, dass ich bestimmte Ereignisse völlig verdrängt habe.
Woran ich mich noch gut erinnern kann, ist mein Kleid, das ich selbst entworfen hatte und das von Sylvesters eigenem Schneider, Charles Bronson (nicht der Charles Bronson) angefertigt wurde. Es war ein schlichtes weißes Kleid mit Puffärmeln, das an die 1940er-Jahre erinnerte. Nur das habe ich noch sehr klar vor Augen.
Die Gäste habe ich nur noch verschwommen im Kopf. Ich entsinne mich nur, wie ich dachte, dass Sylvesters Mutter hätte da sein sollen. Es fiel ihm schwer, sie am Ende doch nicht einzuladen, aber die beiden hatten eine schwierige Beziehung, und sie mochte mich überhaupt nicht. Selbst nach der Hochzeit wurde sie mit mir kein bisschen warm. Auch die Presse richtete sich gegen mich und behauptete, ich hätte Sylvester nur wegen seines Geldes geheiratet. Einigen Artikeln nach habe ich ihn am Ende um mehrere zehn Millionen erleichtert. Ich habe keine Ahnung, wie diese Märchen entstanden sind – und ab und zu wird so etwas bis heute gedruckt – oder warum sie mich auf diese Weise in den Schmutz zogen. Als ich Sylvester heiratete, unterschrieb ich einen Ehevertrag, der regelte, was ich sagen und tun durfte, und der einige klare, strenge Regelungen enthielt, doch irgendjemand hatte wohl das Gefühl, ich stellte eine ernste Bedrohung dar, und hielt sich daher für berufen, mich in der Öffentlichkeit herunterzumachen. Trotz des Ehevertrags warnten ihn Leute in seinem inneren Kreis noch am Morgen der Hochzeitszeremonie vor mir.
Nach der Eheschließung änderte sich die Situation. Sylvester war in mich verliebt, doch es war ein bisschen zu viel. Im ganzen Haus hatte er Bilder von mir aufgehängt – er hatte sogar Statuen von mir anfertigen lassen. Es war ein bisschen unbehaglich und einschüchternd, mir in jedem Zimmer, in das ich ging, ins Gesicht zu sehen. Als er einen Kristalltisch einfliegen ließ, in den mein Profil eingraviert war, bekam ich es allmählich mit der Angst zu tun. Außerdem schien trotz dieser großen Gesten und unseres opulenten Lebensstils, vielleicht aber auch gerade deswegen, irgendetwas zu fehlen.
Wir schienen all diese Reichtümer, mit denen wir uns umgaben, irgendwie nicht zu nutzen. Ich weiß noch, dass er einen voll ausgestatteten Reisebus besaß. Er verfügte über mehrere Schlafzimmer sowie eine Küche, und ich freute mich darauf, darin mit ihm eine Luxus-Camping-Tour zu unternehmen – das wäre dann wie meine Kindheitsferien gewesen, nur dass es diesmal rundum auf Fünf-Sterne-Niveau wäre. »Fahren wir mit dem Bus nach Mexiko!«, sagte ich aufgeregt. »Gönnen wir uns den Spaß!« Sylvester lachte und stimmte bereitwillig zu, doch irgendwie kam es nie dazu. Immer stand gerade irgendein Vertrag oder eine Arbeit bevor.
Was nützt es, fragte ich mich, Geld, schöne Möbel, Personal und vollkommene finanzielle Sicherheit zu haben, wenn man sich nie die Zeit nimmt, das alles zu genießen? Ich hatte das Gefühl, dass mich die ganze Situation ein wenig erdrückte. Die einzige Zeit, die wir allein miteinander hatten, war die Zeit im Bett. Ansonsten war immer irgendjemand da, der mit irgendetwas, das erledigt werden musste, zu ihm kam. Unter diesen Umständen war es völlig unmöglich, irgendetwas spontan zu machen – oder auch einfach nur herumzuhängen und nichts zu tun. Alle in meiner Umgebung vermittelten mir irgendwie das Gefühl, als sei er noch ledig.
Ein normaler Tag fing für Sylvester und mich ungefähr um sieben Uhr morgens an. Da war er dann bereits seit zwei Stunden auf und saß an seinem Schreibtisch im Büro. Er war ein großartiger Drehbuchautor und hatte ein Händchen dafür, die Rechte für richtig gute Bücher und Geschichten zu erwerben, die er dann seinen Filmen zugrunde legte. Seine Kreativität und Intelligenz zeigte sich in allem, was er unternahm, und wenn er seine erste schöpferische Phase am Tag hinter sich hatte, frühstückten wir zusammen. Wir tranken beide frisch gepressten Orangensaft und Sylvester aß rohen Fisch, zu dem er sich einen Haufen Vitamintabletten einwarf.
Zumindest ein bisschen ließ ich mich von seinem gesunden Lebensstil anstecken – noch nie im Leben hatte ich so wenig Salz und Zucker konsumiert. Als
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