Im Leben wird dir nichts geschenkt.
Jungen steckten, und ob es tatsächlich sein konnte, dass ich Raoul immer noch nicht losgeworden war. Weinend und noch recht benebelt tauschte ich mit dem Arzt ein paar Worte, und ich entsinne mich, wie ich ihm ein paar Papiere unterschrieb. Ich legte den Kopf aufs Kissen zurück, schloss die Augen und dachte, wie schön es wäre, sie nicht wieder aufmachen zu müssen. Mein Arzt schrieb in seinen Bericht, ich hätte versehentlich eine Überdosis genommen, auch wenn ich in der Dunkelheit, die sich erneut über mich legte, daran dachte, wie geplant und absichtsvoll mein Versuch gewesen war, zu sterben. Doch da war ich nun wieder, und nichts hatte sich geändert, mein Albtraum war noch nicht vorbei.
Die ersten paar Tage, nachdem ich im Krankenhaus erwachte, waren physisch wie mental unglaublich ermüdend. Ich musste mich damit aussöhnen, welchen Weg ich gewählt hatte, um meinen Problemen zu entkommen. Ich war mit dem Leben nicht fertiggeworden und wollte, dass es einfach vorbei war, doch nach und nach dämmerte mir, dass ich eigentlich nicht sterben wollte, sondern mir verzweifelt wünschte, mein Leben zu ändern, und nur nicht wusste, wie.
Etwa einen Monat später kam mir die erste Inspiration. Es bestand eine gewaltige Diskrepanz zwischen dem Bild, das ich innerlich von mir hatte, und der Gitte aus Fleisch und Blut. Dieses Bewusstsein gab mir die Kraft, mich auf die Suche nach mir selbst zu machen.
Heute nehme ich regelmäßige »Realitätsprüfungen« vor, um mich zu vergewissern, dass ich die richtigen Entscheidungen treffe. Das klingt zweifellos banal, doch in der Vergangenheit habe ich nicht genug über mich nachgedacht – es ging immer nur um meinen Mann, die Schulen, das Geld, die Freunde und Agenten. Selbstverständlich denke ich immer noch an diese verschiedenen Aspekte meines Lebens, doch heute achte ich stets darauf, dass ich selbst in dieser Rechnung nicht fehle. Ich halte auch viel mehr Kontakt mit meinen Freundinnen – ich nehme mir immer Zeit, mich bei ihnen zu melden und zu hören, wie es ihnen geht. Ich habe begriffen, dass man nichts für andere tun kann, solange man nicht auch auf sich selbst achtet – darauf lief es unterm Strich hinaus, und das gilt für uns alle. Doch als mich mein wundervoller Arzt zum ersten Mal allein ließ und ich in meinem Krankenhausbett an die Decke starrte, glaubte ich immer noch, Selbstmord sei der Ausweg. Gott sei Dank war ich viel zu schwach, um noch einmal einen Versuch zu unternehmen. Ich hatte keine Ahnung, was mir bevorstand, und wenn mir jemand gesagt hätte, dass dieser Tag der Anfang eines neuen, glücklichen Lebens ist, hätte ich ihn ausgelacht.
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
ENTKOMMEN
K urz nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus hatte ich immer noch Depressionen und fühlte mich einsam. Ich fand auch jetzt noch nicht die Kraft, meine Beziehung zu Raoul zu beenden, und wir sprachen nie über das, was passiert war. Ich trank weiter, um mich gegen die Realität abzustumpfen, und schon bald arbeitete ich wieder so hart wie zuvor.
Raoul sollte an der Rallye Paris-Dakar teilnehmen, die zu Silvester startete. Mir fiel dabei die Aufgabe zu, mehrere Fernsehauftritte, Ansprachen, Interviews und Cluberöffnungen zu absolvieren – einmal wieder das Maximum, das ich aus mir herausholen konnte. So unglücklich ich mich fühlte, gelang es mir trotzdem, für die Kinder ein großartiges Weihnachten auszurichten. Es ist eine dänische Tradition, Weihnachtsherzen auszustechen, Kekse zu backen und Nougat- sowie Marzipankonfekt zuzubereiten. So hatte ich es immer mit meinen eigenen Großeltern getan, dabei den Christbaum geschmückt und Lieder gesungen. Die Süßigkeiten, die wir vorbereitet hatten, kamen dann in die Herzen und diese hängten wir an den Baum. Raoulino war bei diesen Vorbereitungen ziemlich aufgeregt und zeigte jedem stolz, welche Herzen von ihm stammten. »Die hab ich gemacht!« Ich hatte ein besonderes Geschenk für denjenigen meiner Jungs, der das hübscheste Herz gebastelt hatte – sie liebten die Idee eines besonderen Geschenks vor Heiligabend.
Dieses Jahr stand mir eine schöne Zeit bevor, da ich wusste, dass die Rallye vier Wochen dauerte, und ich folglich in meinem Haus Zeit für mich haben würde. Ich erinnere mich noch heute, wie bei mir so etwas wie Euphorie aufkam, als ich mich von Raoul in Marseille, Frankreich, verabschiedete, wo er sich mit den anderen Fahrern treffen sollte. Auch er war glücklich. Ich wendete, trat aufs Gas und sauste so
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