Im Leben wird dir nichts geschenkt.
schnell ich konnte in die Schweiz zurück. Jetzt hatte ich meinen Freiraum, meine Kinder und jede Menge Zeit für mich; es war, als würde ich wiedergeboren – all der Druck fiel von mir ab. In dieser Zeit, als Raoul nicht zu Hause war, bekam ich aus heiterem Himmel einen Anruf, der sich als eine dieser unerwarteten Gelegenheiten erwies, die mein Leben verändern sollten. Am Telefon meldete sich ein Produzent des großen italienischen Fernsehsenders RAI2, der mich einlud, an der italienischen Version einer Realityshow, »Der Maulwurf«, teilzunehmen. Die Kandidaten gewannen Geld, indem sie sich physischen Herausforderungen stellten und zugleich dahinterkamen, wer von ihnen als Spion eingeschleust war, um ihre Anstrengungen zu sabotieren. Ich hatte damals noch nichts von Reality-TV gehört und hätte nicht das geringste Interesse gezeigt, wäre das Projekt nicht zu der Zeit geplant gewesen, zu der Raoul aus Dakar zurückkehren sollte; die Teilnahme gab mir die Chance, noch eine Weile länger von Raoul weg zu sein.
Die Show folgte einem einfachen Konzept. Die Teilnehmer kannten sich vorher nicht und lebten mindestens sechzig Tage an einem Ort in Mexiko zusammen. Jeden Tag würde eine halbe Stunde des Experiments auf RAI2 gezeigt, plus jeden Sonntag vier Stunden Live-Material zur Hauptsendezeit. Für den Sender war es eine aufwändige Produktion und für mich eine große Gelegenheit, meine berufliche Karriere in eine völlig neue Richtung zu lenken. Mein Bauchgefühl sagte mir, dass dies trotz der wochenlangen Trennung von meinen Jungen eine gute Sache für mich war. Ich sagte auf der Stelle zu, ohne auch nur über Geld oder Verträge zu diskutieren – und war überglücklich, ein so ausgedehntes Engagement zu haben.
Mein gutes Gefühl sollte sich bestätigen. Die Sendung gab mir nicht nur den Auftrieb, den ich brauchte, um meine Ehe zu beenden, sondern auf längere Sicht half mir das Reality-TV auch dabei, mich mit den Dämonen und dem Alkoholismus zu konfrontieren, die mich zerstörten.
Viele Leute rümpfen über Realityshows die Nase, doch ich kann ehrlichen Gewissens sagen, dass sie mir das Leben gerettet haben. Ich glaube, niemand auf der Welt kann wie ich von sich behaupten, sich vor laufender Kamera so tiefgreifend physisch und psychisch gewandelt zu haben. Mithilfe der Sendung habe ich mich aus dem Treibsand befreit, in den ich über so lange Zeit immer tiefer gesunken war. Ich breitete mein Leben vor der Kamera aus, und mir ist keine andere Frau bekannt, die so ungeschminkt über ihre zahlreichen Abenteuer und Fehler gesprochen hat. Es war ein Befreiungsschlag, es motivierte mich, und das alles begann mit diesem einen Anruf. Ich hatte nur eine Frage: »Dürfen wir rauchen?« Er sagte Ja.
Die anderen Kandidaten schlossen Namen ein, die den italienischen Fernsehzuschauern bekannt waren, wie zum Beispiel Paola Perego, Guido Bagatta und Amanda Lear. Sie waren eine sehr freundliche Gruppe berühmter Moderatoren. Als wir am Set eintrafen, stellte sich jedoch heraus, dass die Produktionscrew uns dann doch die Zigaretten ebenso wie die Handys und Pässe abnahm, und selbstverständlich war kein Alkohol erlaubt. Zuerst traf mich angesichts solch strenger Regeln fast der Schlag, doch ich schaffte es bis zur letzten Woche, das heißt, ich blieb zweiundsiebzig Tage da draußen – und hatte die beste Zeit meines Lebens.
Jeden Sonntag durfte ich im Fernsehen live mit den Kindern sprechen, und sie sahen ihre Mum jeden Tag in der Show – es war ein reines Unterhaltungsprogramm, ohne die Gemeinheiten, die einige dieser Formate charakterisieren. Es fühlte sich so gut an, nicht zu trinken; alles schien besser zu werden – nach einer Weile erschienen mir sogar die Palmen schöner und farbenfroher. Wir durften nicht fernsehen und hatten keine Zeitungen. Ich musste auch ein paar Tage allein im Gefängnis des Camps verbringen, was mir viel Zeit zum Nachdenken verschaffte und mir die Kraft gab, mich mit der Frage zu konfrontieren, was ich mir so lange angetan hatte.
Meine Gefängnishütte besaß nur ein Loch statt einer richtigen Toilette, und das Essen beschränkte sich auf einen Apfel und eine Tüte Reis pro Tag. Ich schlief in einem speziellen Schlafsack, der mich vor den Schlangen schützte, und benutzte die kalte Dusche draußen vor der Hütte. Ein kleines Kamerateam kam früh morgens, um mich zu interviewen, und spät am Abend, um mich zu einem Zeitpunkt, zu dem ich nicht sprechen durfte, zu filmen, und eine Woche
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