Im Leben wird dir nichts geschenkt.
hätte nie damit gerechnet, dass schon so bald etwas derart Wundervolles, Intensives geschehen würde.
Raoul zog aus der Villa aus, und ich überlegte, ob ich es noch einmal mit dem Haus versuchen sollte, doch es stand für so vieles, was mich in den Selbstmordversuch getrieben hatte, und an dieser Tatsache kam ich nicht vorbei. Über jedem Raum lagen dunkle Schatten, und jeder Ziegelstein stand für eine schlechte Erinnerung. Besonders war es so, wenn ich allein dort war; ich hatte ständig das Gefühl, als wäre noch jemand im Haus, und ging durch alle Räume, um nachzusehen. Das war nichts für mich. Ich verließ die Villa für immer und zog in das Hotel, in dem Mattia arbeitete. Endlich fühlte ich mich sicher, und es war etwas Neues und Angenehmes für mich, ganz in einem Hotel zu wohnen. Hier brauchte ich keine Angst vor Entdeckung zu haben. Das Hotel überwachte meine Anrufe, und der Direktor versicherte mir, niemand würde an meine Tür gelangen, wenn ich es nicht wollte. Genau das wollte ich in diesem Moment hören. Und das Beste von allem: Ich hatte meinen jungen, gut aussehenden Liebhaber in der Nähe. Mattia verbrachte seine ganze Freizeit mit mir.
Erst, als die Scheidung rechtskräftig war, zogen wir nach Mailand, wo ich mir für die Kinder eine gute Ausbildung erhoffte. Mein Anwalt fand für mich die perfekte Wohnung im Stadtteil San Siro, und am Abend bevor ich das Hotel verließ, feierte ich den neuen Lebensabschnitt bei einem gemütlichen Essen mit Mattia. Ich hatte einen Entschluss gefasst. »Ich bin verrückt nach dir und ich glaube, wir können ein tolles Leben miteinander führen«, sagte ich zu ihm. »Allerdings muss ich in Mailand sein, und wenn du nicht mit mir dorthin ziehen kannst, weiß ich nicht, was wir tun können. Es ist bisher wunderschön gewesen, doch jetzt müssen wir uns darüber klar werden, wie ernst wir es miteinander meinen. Nach all diesen Jahren habe ich nicht mehr viel Geduld. Ich brauche eine Antwort. Ich will dich keineswegs unter Druck setzen, doch ich muss in die Zukunft blicken, und eine Fernbeziehung ist für mich nichts Reelles.«
Ich meinte es ernst, wusste jedoch auch, dass es ganz schön viel verlangt war. Mattia ging es rundum gut. Er genoss das sorgenfreie Leben eines Junggesellen in der Schweiz, und ich stellte das infrage. Was hatte ich ihm dafür zu bieten? Ich hatte zwar noch nicht ganz mein Verfallsdatum erreicht, war jedoch eine vierfache Mutter mit einer Menge emotionalem Gepäck. Ich hatte ihm die Möglichkeiten dargelegt, hatte jedoch keine Ahnung, wie er reagieren würde. Für mich war nur klar, dass ich mich nicht noch einmal auf faule Kompromisse einlassen wollte. Eine Beziehung mit einem Mann in der Blüte seiner Jahre, der in einem Hotel arbeitete, wo jede Menge attraktive Frauen ein und aus gingen, und eine Fernbeziehung zwischen zwei Ländern – ein solches Trauma wäre nichts für mich gewesen. Ich war nicht blöd!
Mattia saß eine Weile reglos da, dann nahm er sanft mein Gesicht in die Hände und sah mir in die Augen. »Gitte, ich bin verrückt nach dir«, sagte er, »und ich glaube, es kann wunderbar zwischen uns werden. Es ist nur so … Ich kann nicht mit einer Frau zusammenleben, die raucht wie ein Schlot und viel zu viel trinkt.« Ich staunte nicht schlecht.
Ich hatte mit der Möglichkeit gerechnet, dass er, ohne groß nachzudenken, zustimmte, oder auch ehrlich sagte, dass er nicht mit einer älteren Frau zusammen sein oder sich an sie binden wollte. Etwas in dieser Art. Doch trotz seiner Jugend war er gleich aufs Wesentliche gekommen. In der kurzen Zeit, die wir uns kannten, hatte er mich ausgelotet. Die Dinge, die zwischen uns nie ausgesprochen waren, hatte er dennoch registriert; er hatte meine volle Aufmerksamkeit.
Einerseits fühlte ich mich irgendwie entblößt, andererseits zeigte seine Reaktion, wie viel ich ihm bedeutete. Sonst hätte er den Alkohol nicht erwähnen müssen. Schon lange hatte niemand mehr, ob Freunde oder Angehörige, so viel Interesse an meinem Wohlergehen an den Tag gelegt, dass er bereit war, mir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen.
Echte Liebe muss bedingungslos sein, doch Mattia war klug genug, gewisse Regeln aufzuzeigen, bevor er sich seinen Gefühlen hingab. Ich war für ihn eine tolle Frau, aber eine Frau mit mehr Problemen, als man auf Anhieb erkennen konnte – und vermutlich würde es bei den jetzigen Problemen bleiben, doch er war bereit, sich der Herausforderung zu stellen, wenn ich es ebenfalls
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