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Im Licht der Merkur-Sonne

Im Licht der Merkur-Sonne

Titel: Im Licht der Merkur-Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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zuckte wie ein Blitz durch Bigmans Gedanken, während er bewegungslos stehenblieb und die neue Situation zu erfassen versuchte.
    Erskines Stimme krächzte heiser: »Ich – kann nicht – Hilfe – helfen Sie mir – es ist – kalt – eiskalt ...«
    »Aushalten, ich komme!« schrie Bigman. Im Augenblick dachte er nicht daran, daß dieser Mann noch vor Sekunden im Begriff gewesen war, ihn kaltblütig zu töten. Der kleine Marsianer erkannte nur eines: Hier war ein Mensch hilflos in der Gewalt von etwas nicht Menschlichem.
    Seit der Mensch zum erstenmal die Erde verlassen und in die Gefahren und Geheimnisse des Weltraums eingedrungen war, galt ein strenges, ungeschriebenes Gesetz: Menschliche Streitigkeiten müssen vergessen werden, wenn der gemeinsame Feind dem Menschen gegenübertrat, die fremden Gewalten anderer Welten.
    Vielleicht befolgte nicht jeder dieses Gesetz, wohl aber Bigman.
    Mit einem Satz stand er neben Erskine und zerrte an seinem Arm.
    »Helfen Sie ...«, murmelte Erskine.
    Bigman riß an dem Strahler, den Erskine immer noch in der Hand hielt, und versuchte, dem Tentakel auszuweichen, der Erskines Faust umklammert hielt. Bigman stellte dabei fest, daß der Tentakel sich nicht krümmte, sondern in einzelnen Abschnitten abgebogen war, als bestünde er aus starren Segmenten.
    Bigmans andere Hand, die rein reflexartig nach Erskines Anzug getastet hatte, berührte einen Augenblick einen der Tentakel und zuckte unwillkürlich zurück.
    Bigman zerrte verzweifelt an dem Strahler und bemerkte dabei die fremde Berührung an seinem Rücken nicht – und dann hüllte auch ihn das eisige Band ein und ließ ihn nicht mehr los. Als er zurückspringen wollte, stellte er fest, daß er es nicht mehr konnte. Ein Tentakel hatte nach ihm gegriffen und ihn umklammert.
    Die beiden Männer hätten zusammengewachsen sein können, so fest preßte der Tentakel sie aneinander.
    Der rein physische Schmerz der Kälte wurde immer stärker, und Bigman zerrte wie ein Besessener an dem Strahler. Gab er nach?
    Dann meldete sich Erskine: »Es geht nicht ...« Der Mann taumelte und fiel dann langsam zu Boden, wobei er Bigman mit sich zog.
    Bigmans Körper war schon völlig steif. Er verlor jegliche Empfindung. Er konnte kaum feststellen, ob er den Strahler noch in der Hand hielt oder nicht.
    Seine Helmlampe wurde dunkel, als die energiehungrigen Tentakeln ihr den Strom absaugten.
    Der Tod durch Erfrieren konnte nicht mehr fern sein ...
     
    *
     
    Lucky hatte sich in der Kabine der Shooting Starr den Isolieranzug übergestreift und trat jetzt auf die Oberfläche des Merkur hinaus. Er wandte sein Gesicht dem »weißen Geist der Sonne« zu.
    Lange Minuten stand er bewegungslos da, ganz unter dem Einfluß des milchigen Weiß der Korona.
    Dann bewegte er seine Glieder. Der Isolieranzug funktionierte besser als ein gewöhnlicher Raumanzug. Bei seinem geringen Gewicht vermittelte er Lucky beinahe das Gefühl, überhaupt keinen Schutzanzug zu tragen.
    In einer offensichtlich so luftlosen Umgebung war das beinahe beunruhigend, aber Lucky kümmerte sich nicht darum und blickte zum Himmel.
    Die Sterne waren ebenso zahlreich und hell wie im freien Weltraum, aber er beachtete sie kaum. Er suchte etwas anderes. Nach Erdzeit waren zwei Tage vergangen, seit er zum letztenmal diesen Himmel gesehen hatte. In zwei Tagen hatte der Merkur ein Vierundvierzigstel seines Weges um die Sonne zurückgelegt. Das bedeutete, daß im Osten über acht Grad des Himmels aufgetaucht waren und im Westen über acht Grad verschwunden waren. Das bedeutete auch, daß man neue Sterne sehen konnte.
    Auch neue Planeten. Inzwischen mußten sowohl die Venus als auch die Erde über dem Horizont aufgestiegen sein.
    Und da waren sie. Venus stand etwas höher, ein diamantklares, weißes Licht, heller als sie von der Erde aus erschien.
    Im Augenblick war die Venus dreiunddreißig Millionen Meilen vom Merkur entfernt. Im Augenblick ihrer größten Nähe würde sie bis auf zwanzig Millionen Meilen heranrücken. Und dann konnte ein scharfes Auge sie sogar als kleine Scheibe ausmachen.
    Selbst jetzt wetteiferte ihr Licht beinahe mit dem der Korona, und Lucky, der zu Boden starrte, glaubte einen doppelten Schatten ausmachen zu können, der von seinen Füßen ausging; einer, der von der Korona erzeugt wurde (und etwas ausgefasert war), und einer, den die Venus erzeugte (und der scharf war). Er fragte sich, ob es unter idealen Voraussetzungen nicht sogar einen dreifachen Schatten geben

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