Im Licht der Merkur-Sonne
zu, und für jede Meile, die er weiterging, stieg die Sonne um sechs Bogenminuten höher.
Das hieß, daß nach weniger als einer Meile die Sonne selbst sichtbar sein würde und er sich auf der Sonnenseite des Merkur befinden würde.
Lucky konnte nicht wissen, daß im Augenblick Bigman der Erfrierungstod drohte. Er dachte nur eines: Dort drüben auf der Sonnenseite lag die Gefahr und gleichzeitig die Lösung des Problems!
10.
Jetzt waren schon wesentlich mehr Protuberanzen sichtbar. Ihr Rot wurde immer strahlender. Die Korona verschwand zwar nicht, schien aber jetzt, verglichen mit den strahlend hellen Protuberanzen, zur Bedeutungslosigkeit degradiert.
Lucky rannte mit gleichmäßigen langen Sätzen weiter, eine Gangart, die er bei dieser geringen Schwerkraft stundenlang hätte beibehalten können.
Und dann, ohne Warnung und ohne daß zuerst ein heller Schein ihr Kommen angekündigt hätte, stand die Sonne am Himmel.
Das heißt, genauer gesagt, ein schmaler Streifen der Sonne; ein haarfeiner Streifen sogar nur. Es war eine unerträglich helle Lichtlinie am Horizont, als hätte irgendein himmlischer Maler die Umrisse der Felsen mit strahlendem Weiß nachgezogen.
Lucky sah sich um. Auf dem unregelmäßigen Boden hinter ihm spiegelten sich die Protuberanzen in roten Flecken. Aber jetzt war unmittelbar zu seinen Füßen ein weißer Schimmer, der sich in den Kristallformationen brach.
Er ging weiter, und aus der Lichtlinie wurde ein immer breiterer Streifen.
Die Abgrenzung der Sonne war jetzt deutlich sichtbar und hob sich in der Mitte etwas über den Horizont hinaus und wurde zu den Seiten schmaler. Für einen Menschen, dessen Augen an die Krümmung der Sonne auf der Erde gewöhnt waren, war die Sonne erschreckend flach.
Der Lichtschein der Sonne überstrahlte auch die Protuberanzen nicht, die wie flammende Locken daran entlangkrochen. Die Protuberanzen hüllten natürlich die ganze Sonne ein, waren aber nur an ihrem Rande sichtbar.
Und über allem hing die Korona.
Lucky fand trotz des atemberaubenden Anblicks noch Zeit, sich über das Wunder der Technik Gedanken zu machen, das sein Isolieranzug darstellte.
Ein einziger Blick auf den Sonnenrand hätte genügt, ungeschützte Augen für immer zu blenden. Das sichtbare Licht war in seiner Intensität schon schlimm genug, aber die harte Ultraviolettstrahlung ohne die Filterwirkung einer Atmosphäre hätte sofortige Blindheit bedeutet. Und auch eine Gefahr für sein Leben.
Und doch war das Glas der Gesichtsplatte seines Isolieranzugs in seiner molekularen Zusammensetzung so konstruiert, daß es in direkter Proportion zu der Intensität des darauffallenden Lichtes weniger durchlässig wurde. Nur der Bruchteil von einem Prozent der Sonnenstrahlung durchdrang die Platte, und er konnte die Sonne gefahrlos ansehen.
Der Isolieranzug bot ihm auch in anderer Beziehung Schutz. Er war mit Blei und Wismut imprägniert – nicht genug, um sein Gewicht in starkem Maße zu erhöhen, aber ausreichend, um ultraviolette und Röntgenstrahlen abzuschirmen.
Und dann bot der Anzug natürlich auch Schutz gegen die Hitze, nicht nur durch die reflektierende Oberfläche, einer pseudoflüssigen Molekularschicht, die durch einen Knopfdruck aktiviert werden konnte.
Lucky war inzwischen bereits eine Meile in den Bereich der Sonnenseite eingedrungen und verspürte keine Anzeichen übermäßiger Hitze.
Das überraschte ihn nicht. Leute freilich, die ihr Wissen um den Weltraum nur aus Fernsehsendungen bezogen, hielten die Sonnenseite eines jeden luftlosen Planeten einfach für eine einheitlich glühendheiße Region.
Aber das war eine unzutreffende Verallgemeinerung. Alles hing letztlich davon ab, wie hoch die Sonne am Himmel stand.
Von dieser Stelle auf dem Merkur aus zum Beispiel, wo nur ein Teil der Sonne über dem Horizont sichtbar war, erreichte verhältnismäßig wenig Hitze den Boden, und dieses geringe Maß an Hitze verbreitete sich über eine weite Fläche, da die Strahlung beinahe horizontal auftraf.
Das »Klima« wechselte, je tiefer man in die Sonnenseite eindrang, und wenn man schließlich jenen Punkt erreichte, wo die Sonne hoch am Himmel stand, dann galt tatsächlich das, was auch in den Fernsehsendungen gezeigt wurde.
Und dann gab es da natürlich immer noch die Schatten. In Abwesenheit von Luft bewegten sich Licht und Hitze geradlinig. Das heißt, daß keine der beiden Energieformen die Schattenregionen berührte, abgesehen von geringen Bruchteilen, die durch
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