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Im Licht der Merkur-Sonne

Im Licht der Merkur-Sonne

Titel: Im Licht der Merkur-Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Asimov
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Bigmans schrille Stimme übertönte die seine. »Schießen Sie doch, Sie Feigling! Oder werfen Sie den Strahler weg und kommen Sie her – Mann gegen Mann, dann werde ich Ihnen zeigen, wieviel Sie wert sind!«
    Bigmans Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Wenn er Erskine dazu bewegen konnte, blindlings auf ihn loszugehen, würde er ihn anspringen. Seine Aussichten waren zwar gering, aber er würde immerhin eine Chance haben ...
    Aber Erskine schien nur noch ruhiger zu werden.
    »Wenn Sie nicht reden, erschieße ich Sie. Und niemand wird mich zur Rechenschaft ziehen. Ich werde sagen, daß ich in Notwehr gehandelt habe, und man wird mir glauben.«
    »Lucky nicht!«
    »Der wird mit sich selbst genug beschäftigt sein. Und wenn ich einmal mit ihm angefangen habe, wird sich kein Mensch mehr darum kümmern, was er glaubt.« Der Strahler in Erskines Hand war unverwandt auf Bigman gerichtet. »Wollen Sie versuchen, davonzulaufen?«
    »Vor Ihnen?« fragte Bigman verächtlich.
    »Das ist Ihnen überlassen«, sagte Erskine kalt.
    Bigman wartete, wartete, ohne ein Wort zu sagen, während Erskines Arm sich hob und sein Helm sich senkte, als zielte er.
    Bigman zählte die Sekunden und versuchte, den richtigen Augenblick für seinen verzweifelten Sprung zu wählen, ebenso wie Lucky das getan hatte, als Mindes plötzlich auf ihn gezielt hatte. Aber hier war kein zweiter, der Erskine beschäftigen konnte, wie Bigman das mit Mindes getan hatte. Und Erskine war auch nicht Mindes. Er würde lachen und aufs neue zielen.
    Bigmans Muskeln spannten sich für jenen letzten Sprung. Er rechnete nicht damit, die nächsten fünf Sekunden zu überleben.

 
9.
     
    Aber gerade, als Bigman seine Beinmuskeln angespannt hatte, den Bruchteil einer Sekunde vor dem Absprung, hallte ein heiserer Schrei in seinen Kopfhörern.
    Da standen sie beide in einer dunklen Welt, die nur von den Scheinwerfern ihrer Helmlampen erhellt wurde. Außerhalb ihrer Lichtkegel war nichts, und die plötzliche Bewegung, die über ihr Gesichtsfeld huschte, gab im ersten Augenblick überhaupt keinen Sinn.
    Bigmans erster Gedanke war: Lucky! War Lucky zurückgekehrt? Hatte er irgendwie die Situation gemeistert und das Blatt zu seinen Gunsten gewendet?
    Aber da war wieder eine Bewegung, und sein Gedanke an Lucky verschwand.
    Es war gerade, als hätte sich etwas von der Schachtwand gelockert und schwebte zu Boden, in jenem gemächlichen Fall, der für die geringe Schwerkraft des Merkur charakteristisch war.
    Ein »Seil«, das Erskines Schulter traf und – festhaftete. Ein zweites schlang sich um seine Hüften. Ein drittes senkte sich langsam auf ihn herunter und preßte ihm die Arme an den Körper.
    War Erskines erste Reaktion noch die des Erstaunens gewesen, so klang jetzt Panik in seiner Stimme.
    »Kalt!« krächzte er heiser. »Sie sind kalt.«
    Bigman brachte es nicht gleich fertig, die ganze Situation zu erfassen. Irgend etwas hatte Erskine gefesselt. Gerade schwebte wieder eines der Taue herunter. Sie glichen den Felsen so sehr, daß sie unsichtbar blieben, bis sie sich tatsächlich von der Wand gelöst hatten.
    Die Taue waren miteinander als einziger Organismus verbunden, aber es gab da keinen Kern, keinen »Körper«. Es war wie ein Oktopus aus Stein, der nur aus Tentakeln bestand.
    Und dann durchzuckte Bigman plötzlich ein Gedanke.
    Er stellte sich vor, wie der Felsen während der äonenlangen Entwicklung des Merkur Leben entwickelt hatte; eine völlig andere Art von Leben als alles, was die Erde kannte. Ein Leben, das einzig und allein von Wärme existierte.
    Und warum nicht? Die Tentakeln konnten von Ort zu Ort kriechen und jede kleine Spur von Wärme suchen, die noch existieren mochte. Bigman sah sie vor seinem geistigen Auge, wie sie auf den Nordpol des Merkur zukrochen, als die Menschheit sich zum erstenmal dort niederließ. Zuerst waren es die Bergwerke und dann die Observatoriumskuppel, die sie mit der lebensnotwendigen Wärme versorgten.
    Und auch Menschen konnten ihr Opfer sein. Warum nicht? Ein menschliches Wesen ist eine Hitzequelle. Gelegentlich mochte ein vereinzelter Bergmann in ihre Falle gegangen sein. Von plötzlicher Kälte und Schrecken gelähmt, mußte er unfähig gewesen sein, um Hilfe zu rufen. Und Minuten später war seine Energiereserve ohnehin schon zu schwach, um noch für eine Radiomeldung auszureichen. Und dann war er tot. Zu Eis erstarrt! Das war die Erklärung für die seltsamen Vorkommnisse, von denen Cook gesprochen hatte.
    All das

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