Im Licht der roten Erde
im Äther geworden, und weil sie sich eben nicht die Taschen vollstopfte wie die Massen-Moderatoren, die hohe Quoten mit niedrigstem Niveau erzielten, gewann sie eine beträchtliche treue, intelligente Zuhörerschaft.
Sie hatte Susan für einen Beitrag zum Thema Recht interviewt, und trotz der zehn Jahre Altersunterschied zwischen ihnen fühlten sie sich einander verbunden aufgrund ihres Temperaments und ihrer gegenseitigen Wertschätzung, und sie waren Freundinnen geworden.
Veronica arbeitete zu verrückten Uhrzeiten und wurde zu Hause von überwältigenden Mahlzeiten erwartet. Doch niemand konnte Boris vorwerfen, ein Weichei zu sein, wenngleich sich hinter seiner kräftigen, robusten Fassade, den grobschlächtigen Fäusten, die eher dafür geschaffen zu sein schienen, eine Axt denn einen Pinsel zu schwingen, eine sanfte, einfühlsame Natur verbarg. Er war ein Künstler, der sich für längere Zeiträume in die Garage zurückzog, die an die Hintergasse grenzte und ihm als Atelier diente. Wenn er »auf Tauchstation« ging, wie Veronica diese Phasen nannte, erschien er Wochen später mit unergründlichen, von den Kritikern bejubelten Gouachen, ausladenden Leinwandgemälden oder komplizierten Abstrakten wieder auf der Bildfläche.
Das Einzige, das in ihrem Leben fehlte, war ein Kind. Susan wusste, dass Veronica an einem Radiobeitrag über Erziehung, Überfürsorglichkeit, postnatale Depressionen und Kindesaussetzung arbeitete, angeregt von dem jüngsten Fall des Babys, das man in der Victorian Art Gallery gefunden hatte. Es kam Susan so unfair vor, dass eine junge Mutter den Entschluss fasste, ihr Baby aufzugeben, während Veronica und Boris alles daransetzten, ein Kind zu bekommen. Sie fragte sich, was Veronicas Hörer denken würden, wenn sie wüssten, dass ihre unabhängige, starke und unverblümte Moderatorin einen so zerbrechlichen, verletzbaren Kern hatte.
»Wie läuft’s bei dir?«, erkundigte sich Boris.
»Beruflich gut. In sozialer Hinsicht mittelmäßig. Aber im Großen und Ganzen kann ich mich nicht beklagen.«
»Und das bedeutet …?«
»Ich hatte seit über sechs Monaten kein Date mehr. Zum Teil weil ich zu beschäftigt bin, um rauszugehen und mich unter die Leute zu mischen, und mal ehrlich: Ich denke, dem australischen Durchschnittsmann ist es nicht gerade angenehm, mit einer Frau zusammen zu sein, die eine Meinung hat und einen Beitrag zum Rechtswesen des Landes leistet.«
»Du meinst, er fühlt sich bedroht?«
»Es gefällt mir nicht, das zu sagen, Boris, aber …« Susan nippte an ihrem Wein und wechselte das Thema. »Wie geht es mit dem Programm zur künstlichen Befruchtung voran? Ich möchte Veronica nicht zu viele Fragen stellen, weil ich fürchte, sie damit aufzuregen.«
»Uns läuft die Zeit davon. Das Ganze geht nun schon mehrere Jahre, und in ihrem Alter …« Er zuckte die Achseln. »Sie wünscht sich so sehnlich ein Kind. Ich hoffe, sie wird sich damit abfinden können, dass es vielleicht nicht sein soll. Trotzdem kommen wir dem Ritual hoffnungsvoll nach.« Er verdrehte die Augen. »Und es ist wirklich ein Ritual! Sie spritzt sich Hormone – aus dem Urin gesunder belgischer Nonnen, zumindest behaupten das die Ärzte –, die den Körper manipulieren und zu Eizellenwachstum und Eizellenreifung führen. Die Eier werden ›geerntet‹, aus ihren Eierstöcken entfernt, mit meinem Sperma in einem Reagenzglas befruchtet und anschließend im Brutschrank beobachtet, um zu sehen, wie viele davon ›angehen‹. Zwei Tage später werden die befruchteten Eizellen aussortiert und die stärksten in die Gebärmutter eingepflanzt. Unter dem Mikroskop sehen die kleinen Dinger aus wie umherhüpfende Fußbälle.« Er seufzte. »Es ist das Warten … die ewige Frage, ob es wohl geklappt hat. Jeder Monat verlangt seinen emotionalen ebenso wie seinen körperlichen Tribut. Außerdem sind die Medikamente sehr teuer. Ich denke, unsere Zeit in dem Programm ist begrenzt. Veronica ist vierzig, und Tatsache ist, dass wir seit mehreren Jahren keinen Erfolg damit haben.« Er hielt inne, froh, sich bei einer Freundin erleichtert zu haben. »Dennoch, Susan, den heutigen Abend wollen wir genießen. Zum Wohl … geh und misch dich unters Volk.« Und damit wandte er seine Aufmerksamkeit den Zutaten für den griechischen Salat zu.
Es handelte sich um Veronicas übliche vielschichtige Mischung. Sie war berühmt für ihre Dinnerpartys mit Politikern, Unternehmern, Juristen, Künstlern und Schauspielern.
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