Im Licht der roten Erde
besitzen. Ist ja auch schon jahrelang mit unserem geflogen!«
»Und wie groß ist Ihr Flugzeug?«, erkundigte sich Susan.
»Nicht umwerfend, nur ein einmotoriger Zweisitzer. Wir benutzen ihn für Spritztouren, fliegen an die Küste und gelegentlich nach Darwin oder Katherine. Kleinere Unternehmungen eben.«
»Ein Flugschein ist heutzutage so wichtig, wie fest im Sattel zu sitzen. Sie fliegen natürlich auch?«, fragte der Richter. Andrew nickte.
Susan war beeindruckt und wollte sich gerade dementsprechend äußern, als Boris mit großem Wirbel seine Paella präsentierte, zu der es den griechischen Salat und warmes Kräuterbrot gab. Das Essen wurde aufgetragen, Wein nachgeschenkt und lautstarke Bemerkungen gemacht, die verstummten, als Alistair MacKenzie auf das Thema
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zu sprechen kam, die traditionelle Küche der Aborigines sowie der ersten britischen Siedler, bei der ausschließlich einheimische Pflanzen und Tiere verwendet werden.
»Vor ein paar Tagen bin ich in Melbourne mit ein paar Kollegen in eine Brasserie gegangen und habe diese australische Nouvelle Cuisine probiert – eine Art gehobenes
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«
»Ah, Witchetty-Maden und Akaziensamen«, sagte Richter Duffy mit spöttischem Lachen. »Wirklich, Alistair, ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie sich einen Känguru-Kebab schmecken lassen.«
»Unsinn, Mick. Sie werden zu konservativ auf Ihre alten Tage. Flusskrebse sind so großartig wie Krokodil, und auch wenn der Genuss ein wenig mühsam ist, sind sie doch besser als Hamburger von McDonald’s.«
»Und etwas Australisches«, fügte Susan hinzu. »Ich kann mir vorstellen, dass
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ein Riesenhit bei den Leuten aus Übersee sein wird, die zu den Olympischen Spielen anreisen.« Sie wandte sich Andrew zu: »Mögen Sie Känguru?«
»Ich esse keins. Wir schlachten unser eigenes Vieh. Fangen unseren eigenen Fisch. Nur die Hunde kriegen Kängurufleisch. Ich bin eher der Typ, der in der Tiefkühltruhe auf die Jagd geht. Alles andere überlasse ich den Abos.«
Sobald er den Satz beendet hatte, wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte. In dieser Gesellschaft hier stand der Ausdruck »Abos« vermutlich ganz oben auf der Liste der politischen Inkorrektheiten. Auf den Stationen, wie die Farmen in Australien genannt wurden, unter seinen Freunden und anderen Weißen aus der Region war diese Abkürzung für die Ureinwohner absolut gebräuchlich. Hier in Paddington jedoch war sie es wahrscheinlich nicht, vermutlich sogar ein Tabu, aber das Wort war nun einmal heraus, und er konnte es nicht zurücknehmen, wie ihm ein Blick in die Runde bestätigte. Der Richter zog eine Augenbraue in die Höhe, MacKenzie betrachtete ihn kurz, Veronica schloss rasch beide Augen, Boris ging darüber hinweg, Susan erstarrte.
»Und haben die ›Abos‹, wie Sie sie nennen, auch die Möglichkeit, in der Kühltruhe auf die Jagd zu gehen?«, fragte sie ihn.
Veronica warf Boris am Fuß des Tisches einen Blick zu, den dieser wortlos erwiderte.
Die beiden Männer des Gesetzes griffen nach ihrem Wein, als folgten sie einer einstudierten Choreographie. Das Feld war freigegeben für Andrew und Susan. Ihre Augen begegneten sich über dem Tisch.
Andrew blieb ruhig, wirkte sogar ein wenig amüsiert über ihren unerschrockenen Vorstoß. Wie konnte er auf eine derart attraktive Frau böse sein? Er war sich nur zu deutlich der schlecht verhohlenen Erwartung der anderen Gäste bewusst.
»In gewissem Maße haben sie diese Chance tatsächlich. Es gibt heutzutage kaum noch eine größere Gemeinschaft, die ohne Elektrizität, Häuser mit Kühlschrank oder wenigstens einen Laden lebt.« Er nahm seine Gabel und wandte sich wieder der Paella zu, um anzudeuten, dass er mit dieser Antwort alles gesagt hatte, doch dann, als sei ihm nachträglich noch etwas eingefallen, fügte er hinzu: »Sind Sie eigentlich schon einmal in einer Aborigine-Gemeinschaft gewesen?«
»Nun … ähm … nein … ich …«
Doch bevor sie fortfahren konnte, fiel ihr Andrew ins Wort. »Das ist das Problem mit den sogenannten Experten, deren Diplome auf Fernsehnachrichten oder publizistischen Beiträgen basieren. Sie alle sind ganz versessen auf die Macht voreingenommener Perspektiven, sorgfältig ausgewählter Bilder und völlig aus dem Kontext gerissener Storys.« Er fing ihren Blick auf: »Obwohl ich Sie ausdrücklich aus diesem Urteil ausschließe.«
»Oh«, rief Veronica genussvoll aus. »Warum kommt Susan so leicht davon?«
»Weil sie so
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