Im Licht der roten Erde
Seite, riss ihm das Gewehr aus der Hand und zielte. Der Vogel blieb stehen und blickte die beiden Männer unmittelbar vor ihm an. Und Barwons Finger am Abzug erstarrte. Er sah nicht die Augen eines Buschhuhns, sondern das zornige, blutverschmierte Gesicht von Giles Jackson im Lager der Minenarbeiter. Barwon drückte ab.
Es war kein guter Schuss. Das Huhn war verletzt, fiel aber nicht um; es drehte ab und lief aufs hohe Gras und Alistair zu. Alan stürmte herbei, während Alistair dem verwundeten Vogel nachrannte.
Instinktiv nahm er die Verfolgung auf, ein Blindflug, wobei er nicht sicher war, ob er dem Vogel hinterher oder vor seinen Freunden davonlief, doch er war sich der Panik bewusst, die das angeschossene Tier empfinden musste.
»Pack es, Alistair!«, brüllte Mick.
Alistair überkam ein seltsames Gefühl, während er rannte. Er fühlte sich leicht, gewandt, schnell. Plötzlich ganz in seinem Element, lief er durchs Gras, wich ohne zu zögern kleinen Gesteinsbrocken aus und verspürte weder Schmerzen in den Knien, noch stolperte er oder geriet außer Atem.
Er holte den flüchtenden Vogel ein, der auf seinen langen, wackeligen Beinen vorwärtstaumelte. Dann hatte Alan den Eindruck, alles spielte sich in Zeitlupe ab: Das Buschhuhn drehte sich um und gab auf, ein bereitwilliges Opfer. Doch Alistair hatte sich bereits nach vorn geworfen, die Arme ausgestreckt in einem gewagten Angriffssprung, ohne auf den harten Boden unter ihm zu achten. Er landete im Gras, direkt auf dem weichen Körper des Huhns, das unter seinem Gewicht schrille Schreie ausstieß.
Da lag er und spürte die Wärme des zu Boden gerissenen Tiers an seiner Brust. Er hörte das Hämmern von Micks und Barwons herannahenden Füßen; jetzt waren sie bei ihm und packten das zappelnde Huhn. Alistair rappelte sich zitternd hoch. »Lasst es gehen«, sagte er heiser. »Lasst es gehen.«
»Der ist am Ende. Erschieß den armen Kerl, Barwon.« Mick hielt den Vogel an den Beinen, den Fuß auf einem seiner Flügel.
Doch Barwon blickte auf das schwarze Gefieder mit den weißen Sprenkeln auf der Unterseite, auf den gelben Kehlkopf, den roten, federlosen Kopf mit den glasig werdenden Augen und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht, Kumpel. Es ist so ein wunderschönes Geschöpf.«
Mick schaute von Barwon zu Alistair. »Erlös den armen Kerl von seinem Elend.«
Barwon hielt ihm die Waffe hin, doch Mick wollte das Buschhuhn nicht loslassen. Er wusste, dass er den fatalen Schuss genauso wenig abgeben konnte.
Die drei Aborigines kamen mit Alan im Gefolge herbeigeeilt, und Rusty hob seine
nulla nulla,
eine schwere geschnitzte Holzkeule, und zog sie dem Vogel über den Kopf. Er sackte zusammen, mausetot. Mick trat beiseite, als Digger sich das Huhn über die Schulter legte und sich anschickte, zum Pritschenwagen zurückzukehren.
Ardjani ging neben Alistair her. »Es hat sich uns geopfert, musst du wissen. So soll es sein, und wir respektieren das Tier, das stirbt, um uns Nahrung zu geben. Es stirbt, und wir leben, also müssen wir eine Zeremonie abhalten und uns bedanken, damit wieder Tiere kommen. So ist es immer schon gewesen.«
Diese simple Erklärung machte Alistair den Pakt zwischen diesen Menschen und der Tierwelt deutlich – Opfer und Abbitte. Seine Gesellschaft dankte Gott für das Essen auf dem Tisch, die Aborigines dankten dem Tier.
Während die Männer auf der Jagd waren, bereiteten sich die Frauen auf den Aufbruch vor. »Ich denke, ich sollte ins Barradja-Lager hinübergehen und klarstellen, dass Rowena willkommen ist«, sagte Beth. »Es könnte ihr guttun, mitzumachen. Darum geht es doch bei den Frauenangelegenheiten: etwas gemeinsam zu tun.«
Susan und Veronica beschlossen, dort zu den beiden zu stoßen. Sie gingen gerade auf die Gebäude zu, als plötzlich erhobene Stimmen aus dem Raum drangen, in dem Rowena untergebracht war, der scharfe Akzent der Frau aus L.A. war deutlich zu hören. Beth kam mit zornigem Gesicht heraus, ignorierte ihre Fragen und marschierte zurück zu ihrem Zelt.
»Was glaubst du, worum es ging?«, fragte Veronica.
Susan zuckte die Achseln. Kurze Zeit später kamen Lilian, Jennifer und Rowena aus dem Haus. Sie trugen
coolamons
und Grabestöcke bei sich. »Wir zeigen Rowena, wie man
bush tucker
besorgt«, erklärte Lilian. »Ihr beide kommt mit uns.«
Sie nahm den Holzbehälter, den Lilian ihr reichte; Veronica bekam von Jennifer einen Grabestock.
»Okay, ich bin bereit für Frauensachen. Wir sind die
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