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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Sammlerinnen, stimmt’s?« Susan blickte Rowena an und fragte sich, wie es den beiden Aborigine-Frauen gelungen war, die Amerikanerin zu beruhigen und zu überreden, mit ihnen zu kommen. Rowena musste sich davon irgendeinen Vorteil versprechen, so viel war klar.
    Sie sammelten
sugarbag,
indem sie ihn aus einem hohlen Ast schnitten und den tropfenden wilden Honig in einen Behälter aus Rinde legten, dann pflückten sie versteckt hinter fleischigen Blättern wachsende Beeren und Samen. Unterdessen erklärten ihnen Mutter und Tochter, wie sie kochten und das Essen zubereiteten. Sie erzählten, wie die Frauen ihr Wissen über die Nahrung bewahrten, wie sie die Nahrungskette verstanden, wann die richtigen Jahreszeiten zum Sammeln waren und wann sie die Früchte der Natur den Tieren überlassen mussten.
    »Wir kennen uns mit Pflanzen und Tieren aus, wir wissen, wann wir sie in Ruhe lassen müssen und dass man niemals sein eigenes Totemtier oder seine Totempflanze essen darf«, sagte Jennifer.
    »Das wäre, als würde man sein eigenes Fleisch verzehren«, fügte Lilian hinzu.
    Weiter draußen im Busch entdeckte die ältere Frau eine dünne Schlingpflanze. Sie bückte sich und rief Susan und Rowena zu sich, um ihnen zu zeigen, wie sie mit ihren Grabestöcken umgehen mussten. »Wenn ihr tief genug grabt, findet ihr
yam,
Buschkartoffeln.«
    Jennifer führte Veronica zu einem kleinen
billabong,
wo rosa Wasserlilien ihre Blüten in der Sonne öffneten. »Die Wurzeln sind köstlich, wenn man sie kocht.«
    Veronica folgte Jennifers Beispiel und watete ins Wasser, griff nach den gummiartigen Stielen und tastete im weichen Schlamm nach der kleinen, zwiebelartigen Wurzel. Jennifer beugte sich zu ihr, und Veronica bemerkte einen seltsamen Anhänger, der von ihrem Hals baumelte. »Was ist das?«, fragte sie.
    Jennifer hob die Kette an und zeigte ihr das kleine Päckchen aus Rinde. »Darin ist die Nabelschnur meines Babys. Wenn der Kleine anfängt zu krabbeln, begraben wir es. Wir glauben, wenn das Baby sie in dem Päckchen fühlt oder berührt, fühlt es sich sicher und weint nicht.«
    »Wie passt das mit deiner Ausbildung zur Krankenschwester zusammen?«, fragte Veronica.
    »Je mehr ich über meine Kultur und die Medizin der Weißen erfahre, desto überzeugter bin ich, dass beide zusammenwirken können.«
    Veronica beobachtete Rowena, die etwa einen halben Meter tief gegraben hatte, bevor sie auf eine dicke, schrumpelige Yamswurzel stieß. Sie war überrascht, wie konzentriert Rowena bei der Arbeit war, die Überbleibsel ihres Hollywood-Schicks noch immer erkennbar an ihrem Rodeo-Drive-T-Shirt, ihrer Sonnenbrille und den Diamantohrsteckern. Voller nervösem Tatendrang scharrte sie in der Erde, bis Lilian ihren Arm berührte. »
Yam
läuft nicht davon.«
    Veronica und Jennifer kehrten ans Flussufer zurück und legten die Lilienwurzeln neben die anderen gesammelten Dinge. Veronica setzte sich auf die Überbleibsel eines verfaulenden hohlen Holzblocks, um sich auszuruhen, doch sofort sprang sie mit einem lauten Schrei wieder auf die Füße, als ein großer Waran unter ihr hinwegflitzte. »Schnell, fang ihn!«, schrie Lilian, und es entstand ein verrücktes Gerangel, begleitet von einer Kakophonie aus Schreien und Gelächter.
    Jennifer und Susan trieben die Echse vor einem Haufen Steine in die Enge. Susan trat auf ihren Schwanz, und Jennifer packte sie hinter dem Kopf, doch sie entwand sich ihr mit einer kräftigen Drehung und trippelte davon. Es sah aus, als würde sie auf hohen Absätzen laufen, dachte Susan belustigt. Selbst Rowena wirkte amüsiert.
    Nachdem sie den Yams und die Wasserlilienwurzeln zurück ins Lager gebracht hatten, folgten die Frauen Lilian und Jennifer das Flussufer entlang, wobei sie sich leise unterhielten. Rowena trug einen kleinen Klappstuhl bei sich.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Veronica.
    Lilian blieb stehen und deutete auf eine Blume. Dann hob sie den Kopf und wies auf einen Vogel über ihnen, der schrille Schreie von sich gab. »Ihr seht, hört, riecht, fühlt. Darauf müsst ihr achten, seht und hört.« Sie ging langsam vorwärts, setzte die Füße mit Bedacht, und die Frauen, die ihr folgten, verstanden, dass sie ihre unmittelbare Umgebung wahrnehmen und achten mussten.
    Erneut blieb Lilian stehen. »Wir setzen uns hierhin. An diese Stelle.« Der Boden war mit den frischen gelben Blüten und Knospen eines Kapokbaumes übersät. Die Aborigine ließ sich mit verschränkten Beinen zu Boden sinken. Die

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