Im Licht der roten Erde
stellte Alan lächelnd fest. Er wusste, dass die Barradja
wunggud,
eine Energie, die man wohl am ehesten mit spiritueller Kraft erklären konnte, an Orten fanden, an denen die Traumzeit fortbestand.
»Dann kann ich also auf Sie zählen?«, fragte Beth.
Er schüttelte den Kopf. »Sind Sie sicher? Sie kennen mich, ich bin gern allein unterwegs und vernachlässige mein äußeres Erscheinungsbild, sobald ich auf der Gibb River Road bin. Dennoch bin ich überrascht, dass Sie erwägen, einen Trupp von weißen Städtern dort hinaus zu schleppen. Die Barradja werden sie verabscheuen, selbst wenn sie sie eingeladen haben. Obwohl sie zu höflich sein werden, es zu zeigen.«
»Normalerweise würde ich Ihnen zustimmen.« Sie blickte nachdenklich drein. »Die Ältesten sind der Ansicht, es sei an der Zeit, etwas von ihrem Wissen mit dem weißen Volk zu teilen. Ardjani sagte, es sei Zeit, dass wir einen zweiten Weg einschlagen – den Barradja-Weg.«
Wieder schüttelte Alan den Kopf. »Nun, wenn Sie meinen, ich könne Ihnen helfen, werde ich kommen. Ich habe noch nicht viel Zeit in Marrenyikka verbracht.«
Beth ging zu einem der Gemälde, die in dem kleinen Büro hingen. Was zunächst kaum mehr als ein vager Plan in ihrem Hinterkopf gewesen war, wurde nun klarer und bestimmter – wurde ebenso sicher wie die Hand, die die Leinwand vor ihr bemalt hatte. Sie merkte, wie sie in das Bild hineingezogen wurde, und verspürte den plötzlichen Drang, das empfindliche abstrakte Gemälde zu berühren. Ihre Haut an die Farbe zu legen. Mit diesen sinnlichen Tönen zu verschmelzen. Ein verschwommener, blasser Punkt zwischen den Myriaden von Farbklecksen zu sein, würde ihr ein Gefühl von Sicherheit verleihen, umgeben von strahlenden, farbenprächtigen Wesen voller pulsierender Energie und weiblicher Kraft. Oh, eine von ihnen zu sein. Die Vision der wirbelnden Farben, nach ihr greifenden Farben verflachte, und mit brüchiger Stimme fragte sie: »Was für eine Geschichte steckt hinter diesem?«
Alan blickte lächelnd auf die vielfarbige Leinwand. »Es trägt den Titel ›Tanzende Geister bei Tagesanbruch‹ und erzählt von Kindgeistern, die in den
wunggud-
Wasserlöchern auf den passenden Mutterleib warten.«
»Das würde ich gern besitzen«, sagte Beth leise.
Die Villa im Mulholland Drive war hell erleuchtet, ein Möchtegern-Schauspieler fungierte als Park-Boy und parkte den Strom der eintreffenden Hollywood-Limousinen ein.
Gemessen an Joseph Singers gewöhnlichem Standard war dies eine einfache Party, doch das Völkchen heute unterschied sich von den Filmleuten.
Rowena ließ den Blick über die wogende Menge von wohlhabenden Kunstmäzenen, großzügigen Spendern und anderen Gutbetuchten gleiten. Langsam schritt sie die geschwungene Treppe zum Foyer mit seinen Säulen, eingetopften Bäumen und gewaltigen Kunstwerken hinunter, wo sich die Veranstaltung hauptsächlich abspielte.
Ihr war nach allem anderen zumute, als die Gastgeberin ihres Vaters zu mimen. Sie war müde, ausgelaugt und gleichzeitig innerlich rastlos.
Der Abend schleppte sich dahin. Die Einladung galt von achtzehn bis einundzwanzig Uhr, Cocktails und Hors d’œuvres, eine Gelegenheit, einige renommierte Künstler sowie hohe Tiere von Galerien und Museen zu treffen, um Joseph Singers Schenkung an die Armand-Hammer-Sammlung – eine Reihe von Artefakten und Gemälden – zu feiern. Der Kurator der Singer-Privatsammlung hatte »ausgemistet«, die Buchhaltung Steuervorteile aus der Schenkung ziehen und so Spielraum für weitere Ankäufe schaffen können.
Es war nach zehn, als Rowena in die Bibliothek ihres Vaters schlüpfte, in der Hoffnung, dass die Abwesenheit der Gastgeberin die Gäste zum Aufbruch veranlassen würde.
Erst als sie die Tür hinter der Musik, dem Gelächter und Gläserklirren geschlossen hatte, bemerkte sie einen älteren Mann mit schütterem weißem Haar und Schnurrbart in einem der Ledersessel, der sich bei ihrem Näherkommen steif erhob.
»Entschuldigen Sie bitte.« Er verbeugte sich leicht. »Ihr Vater wird gleich wieder hier sein, wir haben uns zurückgezogen, um einen Brandy miteinander zu trinken. Ich denke, er verabschiedet gerade die anderen Gäste.«
Rowena sank in einen Sessel. »Nicht alle, es ist noch immer ein ganzer Pulk draußen.«
Er deutete ein Lächeln an. Mit seinem abgehackten deutschen Akzent und dem höflichen Benehmen hob er sich von der übrigen Gesellschaft ab.
»Rowena Singer.«
»Gustav Lubdek. Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher