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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Seelen oder sonst was heimgesucht.«
    »Und was heißt das?«
    »Früher pflegten die Schwarzen die Überreste ihresgleichen wieder auszubuddeln, aber Großvater schob dem einen Riegel vor. Er war der Ansicht, sie sollten ein angemessenes christliches Begräbnis erhalten und ihrem Schöpfer in einem Sarg mit ihren Stiefeln an den Füßen gegenübertreten statt eingewickelt in Gras und Rinde in einem Baum, oder was immer die alten Männer mit den Toten anstellen wollten.«
    »Hätte das eine Rolle gespielt? Schließlich war der Betreffende tot, warum sollten sie nicht ihr eigenes Bestattungszeremoniell durchführen?«
    Andrew runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich schätze, die Familie versuchte einfach nur, das Richtige zu tun. Die Schwarzen in Yandoo wurden als Teil des Ganzen betrachtet, Yandoo war auch ihr Zuhause, also mussten sie sich den hiesigen Gepflogenheiten anpassen. Hör mal, Susan, ich denke, du solltest nicht so sehr infrage stellen, wie wir die Dinge handhaben, zumal du keinerlei Erfahrung hier draußen hast.«
    »Kapiert«, sagte Susan leichthin. »Also, wie sieht es jetzt damit aus?«
    Andrew erzählte weiter. »Der letzte Schwarze, der hier verstorben ist, wollte auf dem Stadtfriedhof begraben werden, mit einem Grabstein mit seinem Namen darauf und einem Priester, der die Begräbnisworte spricht. Dad hat erzählt, es hätte einiges Aufhebens darum gegeben, aber der alte Knabe ist feierlich auf dem Friedhof von Katherine bestattet worden. Ich könnte mir vorstellen, dass die meisten der Aborigines auf Yandoo davon ausgehen, dass sie hier unten am Fuße des Hügels enden werden.«
    »Und wenn sie eine traditionelle Bestattungszeremonie nach ihren eigenen Riten in ihrem Heimatgebiet wünschten, wäre das ebenfalls möglich?«
    »Ich vermute, wenn sie von ihren Leuten dorthin zurückgebracht werden könnten und tatsächlich Zugang dazu hätten, wäre es das, was sie tun würden.« Andrew ließ die Kupplung kommen und fuhr weiter. »Manche von ihnen sind hier, weil es ihnen nicht möglich ist, auf ihr traditionelles Land zu gelangen, es ist nicht zugänglich, ihre Leute sind vertrieben worden, oder es befindet sich auf Pachtland.«
    »Aber du hast doch gesagt, Yandoo wäre ihre Heimat. Ist das, weil ihnen das Land einst gehört hat, oder ganz einfach deswegen, weil deine Familie ihnen erlaubt hat zu bleiben?«
    Er lächelte sie an und schüttelte den Kopf. »Susan, hör doch auf, die Rechtsanwältin zu spielen, und genieß einfach die Landschaft.«
    Sie fuhren zu den Remisen und warfen einen Blick auf die Traktoren und Generatoren, dann weiter zu Stallungen, wo sie Geschirr und Sättel begutachteten, und schließlich zu den Pferchen, wo vier Aborigines und ihr Vorarbeiter die Rinder brandmarkten und ihnen die Hörner stutzten. Sie schauten zu, wie eines davon auf eine Viehwaage getrieben wurde, die das Gewicht der einzelnen Tiere in grünen Digitalziffern anzeigte. Der Vorarbeiter notierte es sorgfältig in sein Notizbuch. Als er damit fertig war, rief Andrew: »Earl, das ist meine Freundin Susan. Das ist Earl, unser Vorarbeiter.«
    Der drahtige Earl, ebenfalls ein Aborigine, nickte und grinste. »FreutmichSiekennenzulernen«, sagte er in einem Wort, dann wandte er sich wieder einem jungen
jackaroo
zu, der das nächste Rind mit einem Elektroschocker auf die Viehwaage trieb. Nachdem sein Gewicht ebenfalls notiert war, öffnete der Viehtreiber die Metallgitterwand auf der einen Seite, und das Tier wurde auf eine Viehkoppel gelassen.
    »Sie sind so riesig!«, rief Susan aus. »So gewaltig.«
    »Was bringen sie auf die Waage, Earl?«
    »So um die fünf fünzig, Boss.«
    »Fünfhundertfünfzig Kilo. Davon verlieren sie noch ein bisschen, bevor sie zur Versteigerung kommen.«
    »Sieht nach gefährlicher Arbeit aus.«
    »Nicht wenn sie in der Koppel sind. Sie im Busch zusammenzutreiben, das ist die Herausforderung. Manchmal nehmen wir dafür den Hubschrauber, aber meistens Pferde und Motorräder. Wenn du da draußen einem übelgelaunten Bullen in die Quere kommst, heißt es aufpassen.« Er wandte sich zum Gehen. »Aber Yandoo ist noch viel mehr, komm. Bis dann, Earl.«
    Der Rindertreiber winkte, ohne den Blick von der elektronischen Waage zu wenden.
    In Andrews Geländewagen mit Allradantrieb fuhren sie über niedrige Hügel, und von dort oben bekam Susan ein besseres Verständnis von der ungeheuren Ausdehnung des Frazerschen Besitzes. Sie war sich eines Gefühls der Unendlichkeit bewusst, einer unschätzbaren

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