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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Frazer.«
    Er zeigte auf ein Strichmännchen, das sich deutlich von den anderen unterschied. Diese Figur trug einen Hut, und neben ihm war die kindliche Darstellung einer vierbeinigen Kreatur zu erkennen.
    »Mit seinem Lieblingspferd!« Susans Gedanken wirbelten durcheinander, als sie an die Fotografien im Arbeitszimmer von Andrews Vater dachte. Familiengeschichte, zweite Fassung. Langsam ging sie an der unebenen Wand entlang und betrachtete die Aneinanderreihung dokumentierter Ereignisse. »Manche von denen müssen Hunderte, Tausende Jahre zurückgehen. Nach dem … Porträt von deinem Großvater kommt nicht mehr viel.«
    »Nein. Die Mühe haben sie sich vermutlich nicht mehr gemacht, nachdem wir uns erst einmal niedergelassen hatten.« Andrew setzte sich und zog die Flasche aus seinem Gürtel. »Möchtest du einen Schluck Wasser?«
    »Aber das bedeutet doch mit Sicherheit, dass diese Leute hier gewesen sind, hier gelebt haben, ihren Alltagsbeschäftigungen nachgegangen sind. Bedeutet das nicht eine Art Zugehörigkeit? Eine Art Eigentumsrecht?« Susan konnte den Blick nicht von den Malereien wenden. »Sieh mal, hier ist ein Bild von der Felsnase, wo wir jetzt sind. Ich frage mich, was das hier sein soll, all diese Tiere. Eine Jagd? Was meinst du? Andrew? Interessiert dich das nicht?«
    »Ich hab das alles schon gesehen.« Er reichte ihr das Wasser und stand auf. »Eigentlich wollte ich dir das hier drüben zeigen.« Er führte sie zum anderen Ende der Höhle und deutete auf die Decke. Auf dem Sandsteinhimmel über ihnen war ein Bild des Mondes, der einen Kopfschmuck trug und mit einem kleinen, einfach dargestellten Körper versehen war. Susan drehte den Kopf zu allen Seiten, um die volle Wirkung dieser seltsamen, wundervollen Darstellung des schweren, runden Mondes aufnehmen zu können, den sie am Vorabend im Garten von Andrews Mutter gesehen hatte.
    »Das ist fantastisch. Mein Gott, wie alt das sein muss! Hast du jemals Experten kommen lassen, die dieses Werk datiert oder dokumentiert haben?«
    »Wozu?«
    Susan unterdrückte die Proteste, die ihr auf der Zunge lagen. Sie erkannte, dass er tatsächlich nicht daran interessiert war. In Yandoo war so etwas keine große Sache, unbedeutend im Vergleich zu dem neuen Droughtmaster-Bullen, den Fortschritten und Verbesserungen, dem Erbe, das seine Familie erst vor so kurzer Zeit begründet hatte. Susan streckte die Hand nach der warmen, körnigen Oberfläche der bemalten Wand aus und versuchte, sich vorzustellen, welche Hände diese Bilder vor so langer Zeit geschaffen hatten. Bilder, die die Welt zeigten, in der sie gelebt hatten, ihren Glanz und die Symbole ihres letztendlichen Niedergangs.
     
    Sehr früh am vierten Morgen unternahm Susan tapfer einen Ritt hinunter zu dem großen Damm, wo Andrew eine Windmühle überprüfte und eine Wasserpumpe ölte. Während sie dort waren, hörten sie über sich das
Wusch-Wusch-Wusch
eines Hubschraubers. Dröhnend flog er über die Baumwipfel, zog einen schnellen Kreis und drehte dann ab Richtung Anwesen.
    »Julian«, rief Andrew und blickte dem Helikopter hinterher. »Komm! Lass uns um die Wette heim zum Frühstück galoppieren!«
    »Wohl kaum, das schaffe ich nicht auf einem fremden Pferd.«
    »Na gut.« Andrew zügelte seine Stute und ritt neben ihr her.
     
     
     
    Julian saß bereits mit seinen Eltern am Tisch, als Andrew in das an die Küche grenzende Familienfrühstückszimmer stürmte und Susan an der Hand hinter sich herzog.
    »He, Andrew«, sagte Julian, stand auf und warf Susan einen anerkennenden Blick zu.
    Andrew klopfte ihm auf die Schulter. »Toller Auftritt, den du bei der Mühle hingelegt hast. Hat uns unwahrscheinlich beeindruckt. Julian, das ist Susan, die Rechtsanwältin aus Sydney, von der ich dir erzählt habe.«
    »Mehrfach«, fügte Julian mit einem Augenzwinkern hinzu und schüttelte Susan die Hand. »Ich hab immer gewusst, dass er nicht nur nach Sydney fährt, um ein paar Bullen zu ersteigern.«
    Andrew versetzte seinem Bruder einen spielerischen Stoß, und alle nahmen gut gelaunt um den Tisch herum Platz.
    »Du hast uns von deinen neuen Ideen für die Praxis erzählt, Liebling«, sagte Ellen und lenkte das Gespräch zurück aufs eigentliche Thema.
    »Ich habe eine neue Massagetechnik für Pferde aufgenommen. Wirkt wahre Wunder. Ich hab eine junge Frau eingestellt, die sich hervorragend damit auskennt. War mal Krankenschwester, dann Masseurin, und weil sie auch mal Turnierreiterin war, hat sie beschlossen,

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