Im Licht der roten Erde
Besitz bleiben zu lassen. Und sie haben sich als ziemlich gute Arbeitskräfte entpuppt. Hervorragende Fährtenleser und Reiter.«
»Viele der Stationen würden ohne die Hilfe der Aborigines vermutlich gar nicht überlebt haben«, gab Susan zu bedenken.
»Das ist absolut richtig. Und eins will ich Ihnen sagen: Die meisten von ihnen sind ihrer Farmerfamilie treu verbunden, oft sogar mehr als ihren eigenen Leuten. Es gab viele Fälle, in denen Schwarze von den Stationen wilde Schwarze aus der Gegend aufgriffen, die das Vieh gefährdeten oder ein Wasserloch besetzten.«
»Vielleicht hatten sie bis dahin nie Grund, sich von ihren eigenen Leuten bedroht zu fühlen. Meines Wissens hatten sie ihre eigenen Gruppen und Gebiete und haben sich nie darum gestritten. Ich bin mir sicher, die Schwarzen von den Stationen hatten keine Ahnung, wohin ihre sogenannte Loyalität führen würde«, bemerkte Susan spitz. »Somit haben die Aborigines auf gewisse Weise zu ihrem eigenen Niedergang beigetragen.« Sie bemerkte den unwilligen Ausdruck auf Ians Gesicht und fügte hinzu: »Ich spiele nur den Advocatus Diaboli. Das gehört zu meinem Job.«
»Sie ist Anwältin, Dad.«
Ian Frazer stellte sein Bierglas ab und fuhr mit neutraler Stimme fort: »Ich verstehe. Wenn Sie an der Geschichte von Yandoo interessiert sind, möchten Sie sich vielleicht die Fotos in meinem Arbeitszimmer ansehen.« Er stand auf, und Susan folgte ihm von der Veranda in einen Raum voller Bücher, mit einem Gewehrständer, Lederstühlen, einem Schreibtisch, Gemälden und Fotografien. »Dort ist ein Foto von meinem Vater aus den frühen Tagen von Yandoo und hier drüben ein Gemälde von meinem Großvater.« Er deutete auf zwei große ovale Bilderrahmen an der Wand.
Ausgefuchster alter Knabe, dachte Susan, die voll und ganz verstand, was er ihr damit zu verstehen geben wollte. Sie ging zu den Bildern und studierte sie eingehend. Es handelte sich um professionelle Porträts, die Männer in steifer, formvollendeter Pose zeigten. Doch als sie in die Gesichter dieser australischen Pioniere blickte, erkannte sie die Entschlossenheit und die Stärke, die sie an diesem Ort hatte bleiben lassen, außerdem den Stolz auf das, was sie erreicht hatten. Sie zeigten nicht einen Hauch von Schwäche, und Susan fragte sich, ob sich ihre Ehefrauen nach der sanften Berührung und dem liebevollen Flüstern nachgiebigerer Männer gesehnt haben mochten.
Sie merkte, dass Ian hinter ihr stand. »Ich bevorzuge die weniger förmlichen Bilder, vor allem das hier von meinem Vater und seinem Lieblingspferd.« Susan wandte sich um und blickte in seine tiefblauen Augen, die genauso aussahen wie Andrews. »Ich schätze, mein Bild wird früh genug dorthin wandern und eines Tages auch das von Andrew. Das ist Tradition in Yandoo – alles ist eine Frage der Zeit.«
Zeit. Ein Gut, das in ihrem Stadtleben tagtäglich rationiert war. Hier repräsentierte sie Abstammung und Zugehörigkeit. Andrews Vater blickte ihr beinahe streitlustig in die Augen, doch Ellen Frazer brach den Bann. »Genug davon, Ian, du gerätst schon wieder in eine deiner todernsten Stimmungen. Susan, wenn Sie möchten, kann Andrew Sie noch ein wenig herumführen. Jilly und ich kümmern uns ums Abendessen. Du hast doch bestimmt noch am Schreibtisch zu tun, Liebling«, sagte sie betont zu ihrem Mann.
Das Abendessen war eine förmliche Angelegenheit und wurde in dem altmodischen Speisezimmer eingenommen und von Familienporträts überwacht. An den Wänden hingen verschiedene gute, wenngleich konservative Gemälde, außerdem Fotos von Pferden, Bullen und dem Anwesen in frühen Jahren. Altes Holz glänzte im flackernden Licht der Kerzen, die in silbernen Kerzenhaltern aus dem Familienerbe steckten. Andrew hatte ihr erzählt, dass die Familie an den meisten Abenden im Speisezimmer zusammen aß. Die Gewohnheit eines vornehmen Lebensstils hatte sich über mehrere Generationen erhalten, Ellen Frazer wachte über die Konversation und erstickte jegliche Unstimmigkeit im Keim.
Am nächsten Nachmittag gab Andrew während der Fahrt über das umliegende Land Bruchstücke der Familiengeschichte zum Besten.
Sie kamen an den Grabsteinen von Familienmitgliedern vorbei, die eine Seite eines Hügels sprenkelten. Darunter lagen zufällig angeordnete unbeschriftete Steine, die, wie Andrew erklärte, Wanderarbeitern oder Aborigines gehörten. »Die Schwarzen von der Station kommen diesem Ort nicht zu nahe, sie glauben, er wird von gefangenen
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