Im Licht der roten Erde
Alistair. »Sie hatten ein recht buntes Leben, bevor Sie als Anwalt zugelassen wurden.«
»Das kann man wohl sagen. Aber aus dem Buch wird nichts werden, ich hab die Idee an den Nagel gehängt. Da hätten zu viele Leute Klage einreichen können. Hatte ohnehin etwas von einem Egotrip.«
»Das ist keine Entschuldigung, Mick. Sie sind Teil der Rechtsgeschichte dieses Landes gewesen. Sie sollten einen Blick hinter die Kulissen gewähren, ein paar von diesen Moralpredigten haltenden Weltverbesserern als die machtversessenen, gierigen Manipulatoren bloßstellen, die sie in Wirklichkeit sind«, verlangte Beth.
»Wie ich schon sagte: Es würden Verleumdungsklagen auf mich regnen wie Konfetti.«
»Da brauchen Sie doch bloß einen guten Anwalt«, sagte Alistair grinsend, der bereits eine ganze Reihe von aufsehenerregenden Verleumdungsklagen gewonnen hatte. »Denken Sie nur an die Publicity für Ihr Buch!«
Rosalie, die Pastoralistenfrau, blickte gequält drein. »Ich glaube nicht, dass jemand seine schmutzige Wäsche in der Öffentlichkeit waschen sollte. Ich denke, Sie tun gut daran, würdevolles Schweigen zu bewahren.«
»Ich bin weder würdevoll, noch bewahre ich Schweigen«, erwiderte Mick und kippte sein Bier, »ich schreibe bloß kein Buch.«
Mit ihrer klaren, festen Stimme sagte Esme: »Wenn jemand über Korruption, Machtmissbrauch oder sonstiges Fehlverhalten auf seinem Gebiet Bescheid weiß, hat er meines Erachtens die moralische Pflicht, seine Stimme zu erheben. Schweigen ist die Ursache der Apathie, die dieses Land in den Ruin treibt. Ich habe stets meine Meinung geäußert.«
»Und dafür stets in Unfrieden gelebt«, fügte Beth hinzu. »Sei ehrlich, Esme, würdest du das wirklich alles noch einmal durchmachen wollen wegen eines Prinzips, das dich mindestens eine Karriere gekostet hat?«
»Vermutlich schon. Im Grunde bin ich gerade wieder dabei, mich in den kommenden Monaten in eine weitere Auseinandersetzung zu stürzen. Man verliert seine Prinzipien und Überzeugungen nicht zusammen mit seiner Seh- und Hörkraft, seinen Haaren und Zähnen.«
»Bravo, Esme, wir verstehen uns!«, rief der Richter aus. »Darf ich Ihnen noch einen Drink spendieren?«
»Das genügt mir vollauf, danke.« Sie nahm einen Schluck Gin.
»Ich hoffe, ich bin ebenso stark wie Sie, Esme, wenn ich in Ihrem Alter bin. Ich wünschte, Sie würden mit uns kommen«, fügte Susan hinzu.
»Ich bin zu beschäftigt«, erklärte die alte Dame.
»Alan, erzählen Sie uns von der Kunst, die wir womöglich zu sehen bekommen … wohin genau fahren wir noch mal?«, fragte Veronica an Beth gewandt.
»Zum King Edward River.
Wandjina-
Land. Das Land der Barradja ist heiliges Schutzgebiet der
wandjina-
Geister.«
»Was genau sind denn … ist denn … ein
wandjina?
«, fragte Veronica.
Beth zündete sich eine Zigarette an und sagte mit einer Stimme, die die Gruppe später ihre »Vermittlerstimme« nennen sollte: »Sie sind in der Mythologie der Ureinwohner die schöpferischen Ahnen … aber die mächtigsten. Wir benutzen den Plural, aber es ist nicht eindeutig, ob es wirklich mehrere sind oder ein einziger allmächtiger Geist. Die Barradja glauben, sie seien einst von menschlicher Gestalt gewesen und aus den Wolken gekommen. Als die Erde noch eine einzige freie Fläche war und weich wie Gelee, sind sie durchs Land gegangen und haben die Landschaft geformt. Nachdem sie ihre Bilder auf Felsen und in Höhlen hinterlassen hatten, haben sie sich in die Erde zurückgezogen. Der Heiligenschein um ihre Köpfe, den man auf den Malereien sehen kann, steht für Wolken und Blitze.«
»Dann glauben die Barradja also, dass diese Bilder nicht von Menschenhand geschaffen wurden, sondern einfach dort
erschienen?
«, fragte der Kronanwalt nach. Als Beth nickte und, eingehüllt in eine Rauchwolke, an ihrer Zigarette zog, fügte er hinzu: »Das ist schwer zu begreifen.«
»Es ist der Kern ihres Glaubenssystems, ihr Gesetz. Die Geister der
wandjina
sind unsterblich, sie sind die Schöpfer dieses Landes; außerdem sind sie sehr mächtig und müssen geehrt und mit Respekt behandelt werden. Wenn man sich ihren Zorn zuzieht, wird man bestraft.«
»Kursieren nicht seit Jahren so einige wilde Theorien über diese Malereien?«, hakte der Richter nach. »Ich habe gelesen, sie hätten Erich von Däniken zu seinem Buch
Erinnerungen an die Zukunft
inspiriert.«
»Wer hat sie gefunden?«, fragte Susan.
»Die Hüter und
law men
haben immer davon gewusst. Es ist Teil ihres
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