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Im Licht der roten Erde

Im Licht der roten Erde

Titel: Im Licht der roten Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Gesetzes, die Zeremonien einzuhalten und zu erhalten, doch in den letzten Jahren ist das zunehmend schwieriger geworden. Ardjani wird Ihnen von ihrer Bedeutung erzählen. Die
wandjina-
Figur ist als Erstes von weißen Männern beschrieben worden. 1837 stieß der Entdecker George Grey darauf, der nach einem Binnensee suchte. Ich wette, er dachte, es spukt, als er feststellte, dass er von einer riesigen Figur auf dem Felsen beobachtet wurde«, erklärte Beth lachend.
    »Und wie hat er sie beschrieben?«
    »Als bekleidete Figur aus alter Zeit mit einem Heiligenschein, auf dem alte Schrift zu sehen ist. Vermutlich hat er sie für biblisch gehalten. Hundert Jahre später fingen die Forschungsreisenden an, Fotos zu machen und Spekulationen anzustellen, die von Außerirdischen über Makassaren, Hindus, Asiaten bis hin zu sämtlichen Kulturen reichten, die ihrer Ansicht nach hier durchgekommen waren.«
    »Die Aborigines hat vermutlich keiner gefragt«, schaltete sich Richter Duffy ein.
    »Schließen sich die modernen Barradja diesem Schöpfungsglauben an?«, erkundigte sich Alistair MacKenzie.
    »Sie haben ihn nie hinterfragt. Es bestand auch nie die Notwendigkeit dazu. Er ist ihr Gesetz und ihre Kultur«, antwortete Beth. Susan hörte den beiden Rechtsvertretern zu und fragte sich, wohin ihre Fragen führen würden, als Esme mit überraschender Schärfe dazwischenfuhr. »Akademiker im Elfenbeinturm. Sie gehen vom falschen Ende an die Dinge heran, ein ums andere Mal. Es sind die Leute, die Feldforschung betreiben, die Archäologen, Anthropologen, Paläontologen, Kunsthistoriker, die Leute, die rausgehen und die Dinge mit klaren Augen und klarem Kopf betrachten, die mit den dort ansässigen Menschen reden und wirklich zuhören, die ihre wissenschaftliche Arbeit nicht erst schreiben und anschließend dorthin reisen – das sind diejenigen, die anfangen, das eigentliche Bild zu sehen. Politiker, Bürokraten –
pfft –,
die sind genauso schlimm wie die Akademiker.«
    »Ich weiß nicht, wie es mit Ihnen steht, aber ich würde gern essen«, verkündete Rosalie und brachte damit die Unterhaltung jäh zum Erliegen.
    Beth wandte sich an Veronica, die neben ihr saß, und flüsterte ihr etwas zu. »Kümmern Sie sich nicht um die alte Esme, sie ist ein wenig verbittert über die Hochschulszene. Sie hat sich vor Jahren mit den dortigen Leuten überworfen, und die Universität hat ihr den Geldhahn zugedreht. Lange Geschichte. Ich erzähle Sie Ihnen irgendwann einmal nachts am Lagerfeuer.«
    »Ich freue mich schon auf diese nächtlichen Gespräche«, erwiderte Veronica. Die Gruppe stand langsam auf. »Was sollen wir essen?«
    »Sieht nach Motel-Chinesisch aus«, sagte Alan achselzuckend.
    »Gibt es nichts anderes in der Stadt, Beth?«, fragte Mick Duffy.
    Beth blickte auf die Uhr. »Doch, aber bis wir bedient werden und wieder auf unseren Zimmern sind, wird es spät, und ehrlich gesagt, sollte keine der Frauen ohne männliche Begleitung zurückgehen, es ist ein bisschen gefährlich.« Sie klatschte in die Hände. »Hören Sie bitte mal Billy zu, er übernimmt die Führung, bis wir in Marrenyikka sind.«
    Billy stopfte sein Hemd in die Hose und räusperte sich. »Ich denke, wir sollten nicht später als fünf Uhr früh aufbrechen. Seien Sie bitte zwischen halb und Viertel vor fünf mit Ihrem Gepäck am Haupteingang.«
    Veronica, die in ihrer Freizeit nicht gerade eine Frühaufsteherin war, starrte Susan mit offenem Mund an. »Der Mann ist verrückt.«
    »Ist das Fahrzeug klimatisiert?«, erkundigte sich Susan.
    »Aber sicher! Mit allem Komfort. Made in Westaustralien. Ein OKA .«
    »In so einer Schleuder reise ich nicht«, zischte Veronica in gespieltem Schreck.
    »Nun, eine Schleuder ist der Geländewagen sicher nicht«, wiegelte Susan ab. »Du schläfst doch sowieso und kriegst gar nichts mit.«
    »Im OKA wird nicht geschlafen. Es gibt viel zu viel zu sehen und zu erfahren. Das ist der beste Teil der Reise«, erklärte Beth, die sich zu ihnen gesellte, als sie zu Digby’s Restaurant gingen. »Besorgen Sie sich etwas Obst und Brötchen für ein zeitiges Frühstück – morgen früh wird noch nichts geöffnet haben.«
     
    Es war noch dunkel, als die beiden Männer des Gesetzes vor dem stillen Moteleingang standen. Mick Duffy schnupperte die Luft. »Die Dämmerung zieht herauf, das würde sogar ein Blinder merken. Spüren Sie diese Brise? Fühlt sich sanft an, als würde an einem weit entfernten Ort die Sonne langsam den Himmel

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