Im Licht der roten Erde
plötzlich einer anderen Welt anzugehören schienen. Mit einem frustrierten, verächtlichen Stöhnen raffte die Frau vor ihr ihre Einkäufe zusammen und stellte sich in eine andere Reihe. Als Susan ihre Sachen aufs Band legte, sah sie, warum die Frau gegangen war. Ein Aborigine-Mann und ein Junge hielten die Kassiererin auf.
Der Mann schwankte, ließ die Brieftasche fallen und tastete dann danach, offenbar in der Absicht, ein paar Lebensmittel und einen Berg Süßigkeiten zu bezahlen. Vor ihm standen zwei Kartons mit billigem Wein in Plastikbehältern. Seine Augen waren rot und wässrig, er lallte und roch nach Alkohol. Das Mädchen an der Kasse setzte einen genervt-gelangweilten Blick auf und wartete. Der Junge dagegen half dem alten Mann freundlich und voller Geduld. Er war etwa siebzehn, gut gebaut und trug ein modisches, sauberes T-Shirt mit dem Logo eines Football-Teams darauf, dazu eine schicke kurze Hose und ordentliche Laufschuhe. Seine dunklen Locken waren gut geschnitten, alles in allem machte er einen anständigen, aufgeweckten Eindruck.
»Komm, Dad, lass mich das machen.« Er nahm die Brieftasche, zog das Geld heraus und reichte es der Kassiererin, dann gab er seinem Vater die Tüte mit den Süßigkeiten, nahm mit einer Hand die restlichen Tüten und Kartons und stützte mit der anderen den zitternden Ellbogen des Mannes.
»Wo ist mein
grog,
Pete, lass ihn nicht stehen, Pete …«, stammelte er.
»Ich hab ihn, Dad. Es wird dir gleich bessergehen. Komm jetzt.« Er sprach höflich und respektvoll. Susan starrte die beiden an und verspürte einen Kloß im Hals, als sie sah, wie liebevoll der Junge mit dem Alten umging, wobei er die Leute um ihn herum vollkommen ignorierte.
Die Kassiererin begann, Susans Einkäufe einzutippen, als diese fragte: »Ist das sein Sohn?«
»Ja, ganz schön zu bedauern, nicht wahr? Pete ist der Kapitän unserer Football-Mannschaft, ein echtes Talent. War sogar schon im Fernsehen, aber sein Alter ist ein Nichtsnutz. Wie die meisten von denen.«
»Euer Fußball-Star scheint ziemlich fürsorglich zu sein.«
»Nun ja, er hat Geld und kommt hier raus, kann reisen und so. Sein Vater versäuft seine Rente und alles, was Pete ihm gibt. Pete hat Glück gehabt. Wenn er nicht Football spielen könnte, wäre er vielleicht auch in der Kneipe gelandet. Sonst noch etwas?«
Susan schüttelte den Kopf. Sie fühlte sich übervoll von all den verschiedenen Eindrücken, die von der Minute an auf sie eingeprasselt waren, als sie Alan am Flughafen getroffen hatte. Erschöpft kehrte sie ins Motel zurück, stellte die Klimaanlage an und legte sich aufs Bett.
[home]
Die Gruppe
E in frischer Wind sorgte in der einsetzenden Dämmerung für Abkühlung. Die Lichter hinter den Fenstern der Motelzimmer zeigten Familien beim Fernsehen. Susan ging an der Wäscherei mit ihren sich drehenden Trommeln, den herumtollenden Kindern und den Leinen voll frisch gewaschener Wäsche vorbei, die einen idealen Begegnungsort für Frauen abgab. An der Außenbar faulenzten ein paar junge Leute.
Staubige Autos und Wohnmobile, die diese sich ausruhenden Abenteurer zu entlegenen Fleckchen auf der Landkarte bringen würden, parkten in der Nähe. Was würden sie zu sehen bekommen? Wie weit würden sie sich von der dünnen roten Linie auf der Straßenkarte fortwagen? Würden sie heimkehren und diesen abgeschiedenen Teil des Kontinents wirklich – mit allen Sinnen – erlebt haben? Würden sie tatsächlich mitten im Nirgendwo bei einer Gruppe von Aborigines zelten wollen?
Sie schlenderte über den von leuchtenden Bougainvilleas gesäumten Zementweg die Stufen hinauf und öffnete die Glastür, auf der in goldenen Buchstaben »Wanderlust Bar« stand.
Drinnen sah es so aus wie in jeder Bar eines jeden großen Motels in den australischen Urlaubsorten. Ein großer Tresen, Tische und Stühle voller fröhlicher Trinker. Nichtssagendes Dekor, laute Musik, in der Ecke ein Fernseher, der Geruch nach chinesischem Essen vom angrenzenden Digby’s Restaurant, Fotos von Krokodilen und den Silhouetten von
boab-
Bäumen bei Sonnenuntergang. Susan ging weiter in den Biergarten, in dem es eine kleinere, weniger umlagerte Bar gab.
Veronica stand auf und winkte ihr aus einer Gruppe von Leuten, die um mehrere zusammengeschobene Tische saßen, zu. Susan hatte das Gefühl, sich wie in Zeitlupe dahinzuschleppen, als wäre sie diesen Menschen von dem Moment an verpflichtet, in dem sie sich ihnen anschloss.
Veronica umarmte sie, dann sah
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