Im Licht der roten Erde
der Deutsche behutsam die Hände auf die Schultern der Frau, deren gequälter Blick ihn faszinierte, und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn.
»Es wäre mir eine Ehre, Ihnen bei der Dokumentation einer so bedeutenden Kultur behilflich sein zu dürfen«, murmelte er.
»Außerdem«, fügte sie hinzu, »würde ich gern Ihre Sammlung sehen.«
Sie fuhren in einem kleinen Aufzug hinunter in die Kellerräume, durch die man in einen Atomschutzbunker gelangte. Dieser ganz private Bereich war auffällig gut abgesichert. Rowena beobachtete, wie Gustav die Kombination an dem zweifachen Türschloss eingab.
Er schaltete die Strahler an, und Rowena schnappte nach Luft. Kunstwerke aus dem neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert füllten die Galerie. Renaissancegemälde und impressionistische Bilder bedeckten die Wände, in einer Ecke war ein gotisches Altargemälde ausgestellt. Rowena war fasziniert, wenngleich sie sich fragte, ob die Stücke womöglich aus jüdischen Sammlungen stammten und im Krieg von den Nazis beschlagnahmt worden waren.
Eine Staffelei mit einem schwarzen Samttuch in der Mitte des Raumes erweckte ihre Aufmerksamkeit, und als Gustav Lubdek das Tuch mit der Geste eines Magiers beiseitezog, erkannte Rowena einen Picasso. In der Zeitung hatte gestanden, er sei aus einem Museum in Frankreich verschwunden. Sie verkniff sich eine Bemerkung, doch sie fing seinen amüsierten Blick auf.
Rowena entfernte sich von dem alten Grafen und betrachtete eine kunstvolle kleine Vertäfelung. »Sie stammt aus dem Bernsteinzimmer des Katharinenpalastes nahe St. Petersburg«, erklärte die Stimme hinter ihr. »Die Wände waren mit Bernsteinelementen verkleidet und mit Spiegelpilastern und vergoldeten Schnitzereien wie dieser hier versehen.«
Sie ging weiter zu einer Sammlung kambodschanischer Khmer-Kunst aus Angkor Wat, dann hinüber zu großen Steinfiguren und -köpfen der Inka aus Südamerika.
»Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir all das zeigen. Es ist wundervoll. Und ich verstehe jetzt, weshalb Sie dem etwas aus dem alten Australien hinzufügen wollen«, sagte sie.
»Ich nehme selten Besucher mit hierher, meine Liebe. Das ist die ultimative Freude des Besitzens: in der Lage zu sein, in aller Abgeschiedenheit einen Blick auf eine solche Schönheit zu werfen, wann immer ich möchte. Jetzt erkennen Sie vielleicht, welches Vertrauen ich in Sie setze.«
»Wer hat die Stücke für Sie erworben?«
Er antwortete unumwunden: »Ich habe einen deutschen Händler in Zürich. Er erfährt, wenn andere Sammlungen in aller Diskretion wieder auf den Markt kommen. Sie werden über das sogenannte ›große Lager‹ veräußert.«
»Was ist das?«
»Keine offizielle Bezeichnung. Die geheimen Reichtümer der Welt sind in einem Lagerhaus in Genf untergebracht. Schweizer Banken und private Sicherheitsfirmen lagern ihre Kostbarkeiten dort ein. Mein Händler hat mich einmal dorthin mitgenommen – das ist wirklich ein Erlebnis. Ich habe mir sagen lassen, man finde dort Mobutus Vermögen, Schätze aus der Marcos-Sammlung, Holocaust-Gold und allerlei Dinge aus Privatakquisen.«
Rowena stellte fest, dass er mit dieser Bezeichnung die illegalen Ankäufe reicher Exzentriker beschönigte. Als der Aufzug sie wieder nach oben brachte, hatte sie den Eindruck, es sei doch nicht so unmöglich, ein wertvolles Stück Aborigine-Kunst zu erwerben.
»Ich werde mich bei Ihnen mit den Details zu unserem Kimberley-Projekt melden«, sagte sie zu dem alten Mann, als der sie in der Halle verabschiedete.
»Ich hoffe, Sie werden ebenfalls Ihr Vorhaben in diesem wilden Land verwirklichen können.«
Der Diener hielt ihr die schwere Eingangstür auf. »Das hoffe ich auch. Auf Wiedersehen, Gustav.«
Das am Ord River gelegene Städtchen Kununurra hatte sich auf Touristen eingestellt, die freundlich willkommen geheißen wurden. Die Ladenbesitzer schwatzten gern, erzählten Geschichten und boten Rat und Wegbeschreibungen. Susan kaufte ein paar Stoffturnschuhe
made in France
und einen Anglerhut aus Leinen mit einem abnehmbaren Fliegennetz für Gesicht und Nacken
made in China.
Man konnte es sogar eng zusammenziehen, wollte man sichergehen, dass kein Getier in die Nähe von Augen und Mund gelangte. Sie fand den Supermarkt und deckte sich mit weiterem Fliegen- und Mückenschutz ein, außerdem kaufte sie Sunblocker und eine Tüte Pfefferminzbonbons.
An der Kasse betrachtete sie die Seifenopern-Stars auf den Titelblättern der Frauenmagazine, die
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