Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
ich.«
»Nein, ich habe ihn nicht gesehen, weil du mich nicht gerufen hast. Du hast mich nicht mit einbezogen.«
»Ist das das wirkliche Problem? Dass ich dich nicht um Rat gefragt habe, dich nicht um Hilfe gebeten habe?« Nell legte den Kopf schief. »Sag mir eins: Hättest du mich gerufen? Oder Mia?«
Ripley öffnete den Mund, dann klappte sie ihn wieder zu und presste die Lippen zu einer harten, dünnen Linie zusammen. »Es geht hier nicht um mich.«
»Vielleicht doch. Vielleicht geht es um uns alle. Es ist schließlich ein Kreis. Das, was in uns ist, hat diesen Teufelskreis in Gang gesetzt. Das, was in uns ist, wird ihm schließlich ein Ende machen. Harding war verletzt«, sagte Nell, jetzt zu Zack gewandt. »Verwirrt, völlig verängstigt. Er weiß überhaupt nicht, was mit ihm passiert.«
»Weißt du es denn?«, wollte Zack wissen.
»Ich bin mir nicht sicher. Ich habe eine Macht gefühlt, und diese Macht ist böse. Sie benutzt ihn. Und ich glaube …« Es fiel ihr schwer, es auszusprechen, schwer, es auch nur zu denken. »Ich fürchte, sie benutzt auch Evan. Wie eine Brücke – von dort aus, wo auch immer sie ist, durch Evan zu diesem armen Mann, Harding. Wir müssen ihm helfen.«
»Wir müssen ihn von der Insel verjagen«, warf Ripley aufgebracht ein. »Wir müssen, seinen Hintern auf die nächste Fähre Richtung Festland verfrachten, und um das zu tun, ist keine Magie nötig!«
»Er hat doch nichts getan, Ripley«, erinnerte Zack sie. »Er hat kein Gesetz gebrochen, keine Drohungen ausgestoßen. Wir haben nicht das Recht, ihn zu zwingen, die Insel zu verlassen.«
Sie schlug mit beiden Händen auf den Schreibtisch, beugte sich vor. »Er wird Nell unerbittlich verfolgen. Er wird es tun müssen.«
»Er wird nicht in ihre Nähe kommen. Dafür werde ich schon sorgen.«
Sie wirbelte wieder zu Nell herum. »Er wird das vernichten, was du liebst. Das ist der Grund dafür, warum er jetzt hier ist.«
Nell schüttelte den Kopf. »Das werde ich nicht zulassen.« Sie griff nach Ripleys Hand. »Wir werden nicht zulassen, dass das passiert.«
»Ich habe gefühlt, was er ist, wozu er fähig ist. Ich habe es in mir gespürt.«
»Ich weiß.« Nell verflocht ihre Finger mit Ripleys. »Wir brauchen Mia.«
Ripley stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Du hast Recht. Ich hasse das.«
»Du bist wirklich eine faszinierende Frau, kleine Schwester.« Mia lehnte sich gegen die Küchenanrichte und schaute zu, wie Nell Pasta in kochendes Wasser gab. »Wir stecken mitten in einer Krise – es kommt eine Katastrophe auf uns zu, die sich seit drei Jahrhunderten zusammenbraut. Und du kochst und servierst in aller Seelenruhe.«
»Wir alle tun das, was wir am besten können.« Nell blickte kurz auf, während sie die Pasta umrührte. »Was tust du, Mia?«
»Ich warte.«
»Nein, so einfach ist es nicht.«
»Na schön, dann sagen wir, ich bereite mich vor.« Mia hob ihr Weinglas, trank einen kleinen Schluck. »Auf das Kommende, was immer das auch sein mag.«
»Hast du es gesehen? Das, was kommt?«
»Nicht direkt. Nur etwas Starkes, etwas Gefährliches. Etwas, das durch Blutvergießen und Rache erzeugt wurde. Es verzehrt sich nach dem, woraus es entstanden ist, verzehrt sich nach Blut und Vergeltung«, sagte Mia, während sich ihre Augen vor Besorgnis verdunkelten. »Und während es sich davon nährt, wächst es und wird immer stärker. Und es nutzt Schwäche aus.«
»Dann werden wir eben nicht schwach sein.«
Mias Augen wurden wieder klar, als sie lächelte. »Es unterschätzt uns. Wir sollten allerdings aufpassen, dass wir es nicht unterschätzen. Das Böse kümmert sich nicht um Regeln, interessiert sich nicht für das, was richtig und gerecht ist. Und es ist raffiniert. Es kann sich ganz plötzlich in das Wünschenswerte verwandeln.«
»Wir sind jetzt vereint, wir drei. Ich habe Zack, und Ripley hat Mac. Ich wünschte nur …«
»Mach dir keine Gedanken um mich. Ich habe alles, was ich brauche.«
»Mia …« Nell nahm ein Sieb aus dem Schrank, während sie die richtigen Worte zu finden versuchte. »Selbst wenn wir dem, was jetzt hier ist, trotzen können, gibt es da noch einen weiteren Schritt. Deinen.«
»Glaubst du vielleicht, ich würde mich von den Klippen stürzen?« Mia entspannte sich genug, um zu lachen. »Das werde ich nicht tun, das kann ich dir garantieren. Dafür lebe ich viel zu gerne.«
Es gibt noch andere Arten, dachte Nell, sich in die Leere zu stürzen. Sie wollte ihren Gedanken gerade
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