Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
aussprechen, dann biss sie sich auf die Zunge und schluckte die Worte wieder herunter. Sie hatten im Moment schon reichlich genug, womit sie fertig werden mussten.
Was war bloß mit den anderen los? Ripley hörte auf die Unterhaltung, die um den Tisch herum summte, gewürzt mit dem Duft von gutem, liebevoll serviertem Essen. Nichts sagende alltägliche Worte, unbekümmert klingende Stimmen.
Reich mir bitte mal das Salz.
Herrgott noch mal!
Es fühlte sich an, als ob in ihrem Inneren etwas brodelte, als ob es kurz davor wäre, überzukochen – bereit, hochzusprudeln und sich schäumend über den Rand zu ergießen. Und alle anderen saßen einfach nur da und quatschten und aßen, als wäre es ein ganz normaler Abend.
Ein Teil von ihr wusste, dass es nur eine Pause war, so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm, jene Zeitspanne, die man brauchte um seine Kraft zu sammeln und seinen Mut zusammenzunehmen. Aber sie konnte es einfach nicht mehr ertragen, tatenlos herumzusitzen, und hatte einfach keine Geduld
mehr mit Nells totaler Ruhe, mit Mias gelassenem Abwarten. Selbst ihr Bruder tat sich gerade seelenruhig eine weitere Portion Pasta auf, als ob überhaupt nichts wäre, als ob nicht alles, was in seinem Leben zählte, an einem seidenen Faden hinge.
Und Mac …
Mac hat nichts Besseres zu tun, als zu beobachten, zu registrieren, zu beurteilen, dachte Ripley in hilflosem Zorn. Ein spinnerter Wissenschaftler bis zum Letzten.
Dort draußen lauerte etwas Hungriges, etwas, das sich nicht mit einem leckeren, selbst gekochten Abendessen zufrieden geben würde. Konnten die anderen das denn nicht spüren? Es wollte Blut, Blut und Knochen, Tod und Qual. Es gierte förmlich nach Leid. Und seine Gier riss wie mit rasiermesserscharfen Krallen an ihr.
»Verdammt noch mal!« Ripley schob ihren Teller weg, und die Unterhaltung am Tisch verstummte abrupt. »Wir sitzen hier einfach nur rum und stopfen Nudeln in uns rein. Dies ist doch keine gottverdammte Party!«
»Es gibt viele unterschiedliche Arten, um sich auf eine Konfrontation vorzubereiten«, begann Mac und legte ihr beschwichtigend eine Hand auf den Arm.
Sie wollte seine Hand wegschlagen und hasste sich dafür. »Konfrontation? Von wegen! Dies ist eine Schlacht!«
»Viele unterschiedliche Arten, sich vorzubereiten«, wiederholte er. »Zum Beispiel, so wie jetzt zusammenzukommen, gemeinsam zu essen. Ein Symbol des Lebens und der Einigkeit …«
»Die Zeit für Symbole ist lange vorbei. Wir müssen etwas tun, etwas Definitives.«
»Wut nährt das Böse nur.« Mia hob ihr Weinglas und betrachtete die rubinrote Flüssigkeit, als wäre sie ein klarer Teich, in dem sich Tausende von Bildern spiegelten.
»Dann müsste es inzwischen zum Platzen voll sein«, gab
Ripley giftig zurück und sprang von ihrem Stuhl auf. »Ich habe nämlich eine Stinkwut!«
»Hass, Wut, das Verlangen nach Gewalt.« Mia hob das Glas an die Lippen und blickte Ripley über den Rand hinweg an. »Alle diese negativen Emotionen stärken das Böse, schwächen dich.«
»Schreib mir nicht vor, was ich fühlen soll!«
»Könnte ich das jemals? Du willst das haben, was du schon immer gewollt hast. Eine klare Antwort. Wenn du sie nicht bekommst, kriegst du einen Wutanfall oder wendest dich ab.«
»Hört auf«, murmelte Nell. »Wir können es uns jetzt nicht leisten, uns gegeneinander zu wenden.«
»Genau. Lasst uns den Frieden bewahren.« Ripley hörte selbst, wie scharf und bissig ihre Stimme klang, und obwohl sie sich dafür schämte, konnte sie doch nichts dagegen tun. »Warum genehmigen wir uns nicht noch Kaffee und Kuchen?«
»Jetzt ist es aber wirklich genug, Rip.«
»Nein, es ist nicht genug!« Über alle Maßen frustriert, fuhr sie zu Zack herum. »Nichts ist genug, bis wir mit dieser Sache fertig geworden sind, bis sie endgültig vorbei ist. Diesmal wird es mehr sein als nur ein Messer an Nells Kehle, das bereits mit deinem Blut beschmiert ist. Ich will nicht alles verlieren, was ich liebe! Ich will nicht einfach nur hier herumhocken und darauf warten, dass es uns angreift!«
»Okay, das ist etwas, worauf wir uns einigen können.« Mia stellte ihr Glas ab. »Wir wollen nicht verlieren. Und da Streit schlecht für die Verdauung ist, warum machen wir uns nicht an die Arbeit?«
Sie erhob sich von ihrem Platz, begann den Tisch abzuräumen. »Nell wird sich besser fühlen«, sagte sie, bevor Ripley wieder einen ätzenden Kommentar abgeben konnte, »wenn ihr Haus sauber und aufgeräumt
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