Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
selbst ein Glas Wasser holen. Ich muss jetzt mal einen Moment allein sein.« Sie berührte leicht sein Gesicht. »Es tut mir Leid. Ich konnte es einfach nicht kontrollieren. Es tut mir Leid.«
»Ist schon in Ordnung.«
Sie nickte, als ob sie ihm zustimmte, aber sie wusste, als sie die Küche strebte, dass es nicht in Ordnung war. Dass nichts in Ordnung sein würde. In Ordnung sein konnte.
Doch sie wusste jetzt, was sie zu tun hatte. Was getan werden musste. Macs Blut an ihren Fingern war bereits erkaltet, als sie durch die Hintertür ging und hinaus in den aufkommenden Sturm.
20
Sie trat hinaus in den Sturm, mit nur einem klaren Ziel vor Augen. Sie würde Harding – und sich selbst – von der Insel entfernen. Fort von Mac. Fort von Nell und Mia und ihrem Bruder. Danach würde sie tun, was immer als Nächstes getan werden musste. Aber die größte und unmittelbarste Gefahr für alle diejenigen, die sie liebte, lag in ihrem Inneren und war verknüpft mit dem, was auch immer in Hardings Innerem war. Ich habe Macs Blut vergossen.
Ripley ballte ihre Hand, noch immer feucht von seinem Blut, erneut zur Faust. Blut war Macht, eine ihrer elementarsten Quellen. Die schwarze Magie benutzte Blut als eine Art Kanal oder sie nährte sich davon.
Alles, was sie war und woran sie glaubte, lehnte das strikt ab. Wehrte sich dagegen. Scheute davor zurück. Füge niemandem Schaden zu, dachte sie. Sie würde versuchen, keinen Schaden anzurichten. Aber zuerst einmal würde sie dafür
sorgen, dass diejenigen, die sie liebte, nicht zu Schaden kommen konnten oder würden.
Die ermordeten Unschuldigen.
Es war ein Flüstern in ihrem Ohr, so deutlich, so eindringlich dass sie herumwirbelte, in der Erwartung, jemanden hinter sich stehen zu sehen.
Aber da war nichts außer der Nacht – der Finsternis und der wilden und brutalen Gewalt des Sturms.
Je weiter sie sich vom Haus entfernte, desto heftiger tobte der Sturm und desto stärker wurde ihr Zorn. Er würde sie dazu benutzen, um Mac zu verletzen, um an Nell heranzukommen, um Mia zu vernichten.
Aber bevor das geschehen konnte, würde sie lieber sterben und ihren Zorn mit sich ins Grab nehmen.
Als sie den Strand erreichte, beschleunigte sie ihren Schritt, dann fuhr sie erschrocken herum, als sie plötzlich ein Geräusch hinter sich hörte.
Lucy kam aus der Dunkelheit hervorgestürmt, ihre Augen leuchtend, ihre Ohren wachsam gespitzt. Ripley hätte den Hund beinahe mit einem schroffen Befehl wieder nach Hause zurückgeschickt. Aber sie ließ den Arm, den sie bereits erhoben hatte, um auf das Haus zu zeigen, wieder sinken und stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Na schön, in Ordnung, dann komm mit. Ist vielleicht auch besser, wenigstens einen trotteligen Köter als Vertrauten bei mir zu haben, als überhaupt niemanden.« Sie legte Lucy eine Hand auf den Kopf, blickte in ihre treuen braunen Augen. »Beschütze, was mir gehört.«
Ihr Haar flatterte im Wind, als sie und der Hund über den Sand liefen. Die Brandung schlug donnernd an den Strand, eine Wand aus schwarzem Wasser, die sich unablässig aufbäumte, herunterkrachte und sich dann wieder zurückzog, um ihre Massen abermals tosend auf den Sand zu ergießen.
Das Geräusch hämmerte wie Fäuste in ihrem Kopf.
Ihre Schwester war tot. Geschlachtet wie ein Opferlamm wegen ihrer Liebe. Wegen ihrer Gabe. Wo war die Gerechtigkeit?
Der Sturm peitschte Eis vor sich her, spitze, scharfkantige Eissplitter, die in die Haut schnitten. Die Luft selbst war von schrillem Geheul und Schreien erfüllt – tausend schmerzgequälte Stimmen. Unter ihren Füßen begann ein schmutziger Nebel über den Boden zu kriechen und aufzusteigen, bis er um ihre Knöchel wallte, dann um ihre Waden und Knie.
Die Kälte des Nebels drang ihr bis in die Knochen.
Blut gegen Blut. Leben gegen Leben. Macht gegen Macht. Wie hatte sie nur glauben können, dass es irgendeinen anderen Weg geben könnte?
Etwas zwang sie, über ihre Schulter zurückzublicken. Wo das Haus hätte sein sollen, seine hell erleuchteten Fenster ein tröstlicher Anblick in der dunklen Nacht, war jetzt nur noch ein undurchdringlicher Vorhang von schmutzigem Weiß zu sehen.
Sie war von zu Hause abgeschnitten worden und – wie sie jetzt sehen konnte, als der Nebel höher und höher aufstieg und sich zu immer dickeren Schwaden verdichtete – auch von dem Dorf. Schön und gut, dachte sie und drängte ihre Angst hinter ihre Wut zurück.
»Na, dann komm, du elender Bastard!«, schrie sie,
Weitere Kostenlose Bücher