Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
Ihnen eins vor den Latz.«
»Nun machen Sie mal halblang.« Seine Stimme klang jetzt nicht milde und gelassen, sondern ausgesprochen ärgerlich, was Ripley veranlasste, ihn forschend zu mustern. »Haben Sie schon einmal Frostbeulen gesehen?«
»Tatsache ist, dass ich … hey!« Sie wich mit einem Ruck zurück als er ihr die Handschuhe auszog, um ihre Finger zu inspizieren. »Ich war vor ein paar Jahren mit einer Gruppe in Nepal. Einer der Studenten wurde unvorsichtig.« Er ignorierte ihren Widerstand und massierte ihre Finger. »Er verlor zwei von diesen hier.«
»Ich bin nicht unvorsichtig.«
»Okay, lassen Sie mich Ihren Mantel aufhängen.«
Sie entledigte sich ihres Mantels, des Schals, der Wollmütze, der Daunenweste und drückte ihm jede Kleidungsschicht, die sie abschälte, in die Arme. »Nein, ich schätze, Sie sind nicht unvorsichtig.« Dann blickte er sich im Raum um, auf der Suche nach einem Platz, wo er seine Last abladen konnte.
Ripley grinste, sie konnte einfach nicht anders. »Der Fußboden tut’s auch.«
»Nein, wir werden einfach … das Bett«, erinnerte er sich und trug die Sachen hinaus und den schmalen Gang zum Schlafzimmer entlang, den er freigelassen hatte.
»Haben Sie Angst vor der Dunkelheit?«, rief sie ihm nach.
»Wie?«
»Sie haben überall Licht brennen.«
»Tatsächlich?« Er kam wieder ins Wohnzimmer. »Ich vergesse immer, Lampen oder Geräte auszuschalten. Übrigens, ich habe heute einen Liter von Nells Suppe gekauft. Hab sie gerade in die Mikrowelle gestellt. Möchten Sie auch einen Teller?« Er wartete eine Sekunde, deutete ihren Ausdruck richtig. »Essen ist absolut ungefährlich.«
»Ich habe keinen Hunger«, murmelte sie eingeschnappt.
»Okay, dann werde ich später essen, damit wir erst einmal an fangen können. Wo habe ich …« Er klopfte seine Taschen ab und drehte sich langsam im Kreis, während er seinen Blick suchend über das Chaos im Raum schweifen ließ. »Ach ja.« Und fand seinen Minirecorder neben einem Bildschirm. »Ich möchte zuerst ein paar notwendige persönliche Daten aufnehmen, deshalb werden wir einfach …«
Er brach abermals ab, runzelte irritiert die Stirn. Er hatte alte Aktenhefter, Zeitungsausschnitte, Fachbücher, Fotos und andere Unterlagen auf dem Sofa aufgetürmt. Selbst auf dem Fußboden war nicht mehr genug Platz zum Sitzen. »Ich sag Ihnen was, wir werden diesen Teil in der Küche machen.«
Ripley zuckte mit den Achseln, vergrub ihre Hände in den Hosentaschen und folgte ihm in die Küche. »Ich glaube, ich werde doch gleich jetzt essen, wenn wir schon mal hier sind und die Suppe bereits heiß ist«, sagte er. Er nahm einen Teller vom Küchenregal und beschloss dann, Mitleid mit ihr zu haben. »Wie wär’s, wenn Sie Ihre Meinung ändern würden, damit ich mir nicht unhöflich vorkommen muss, wenn ich in Ihrer Gegenwart esse?«
»Na schön. Haben Sie ein Bier?«
»Nein, tut mir Leid. Aber einen ganz anständigen Weißwein.«
»Weißwein tut’s auch.« Sie stand untätig da, während er Suppe in Teller schöpfte und Wein einschenkte.
»Setzen Sie sich doch.«
Er nahm ihr gegenüber am Küchentisch Platz, sprang jedoch sofort wieder auf. »Verdammt, nur einen Moment noch, hab noch etwas vergessen. Fangen Sie ruhig schon an zu essen.«
Ripley verdrehte nur die Augen, als er wieder aus der Küche eilte, und widmete sich Nells Suppe. Sie hörte ärgerliches
Gemurmel, das Rascheln von Papier und ein dumpfes Krachen, als irgendetwas Schweres auf den Boden fiel.
Ein paar Minuten später kehrte Mac mit einem Spiralnotizblock, ein paar Stiften und einer Brille mit Metallfassung zurück. In dem Moment, in dem er die Brille aufsetzte, flatterten plötzlich Schmetterlinge in ihrem Magen.
O Mann, dachte sie, ein unglaublich sexy Spinner.
»Ich werde mir ein paar Notizen machen«, erklärte er. »Die Daten auf Band sichern. Wie schmeckt die Suppe?«
»Nell hat sie gekocht«, erwiderte sie schlicht.
»Ja.« Er begann zu essen. »Sie hat mir neulich abends das Leben gerettet, als ich völlig die Zeit vergessen hatte. Ich fand einen Behälter mit Suppe im Kühlschrank und wäre vor Dankbarkeit fast in Tränen ausgebrochen. Ihr Bruder kann sich wirklich glücklich schätzen. Ich habe ihn gestern kennen gelernt.«
»Das hat er mir erzählt.« Ripley begann sich zu entspannen, denn während Mac Smalltalk machte, tickte unaufhörlich die Uhr. »Er und Nell verstehen sich super.«
»Diesen Eindruck hatte ich auch. Wie alt sind
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