Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
Sie?«
»Was?«
»Ich brauche Ihr Alter – der Ordnung halber«, erklärte er.
»Ich weiß wirklich nicht, was, zum Teufel, das mit irgendetwas zu tun hat. Ich bin im letzten Monat dreißig geworden.«
»An welchem Tag?«
»Am vierzehnten.«
»Also Sternzeichen Schütze. Wissen Sie, um welche Uhrzeit Sie geboren wurden?«
»Ich habe in dem Moment, als ich zur Welt kam, nicht sonderlich genau darauf geachtet.« Sie griff nach ihrem Weinglas. »Ich glaube, meine Mutter hat mal erzählt, es wäre so gegen acht Uhr abends gewesen, nach sechzehn Stunden harter, schweißtreibender Arbeit im Tal der Finsternis,
und so weiter. Wozu brauchen Sie den Zeitpunkt meiner Geburt?«
»Ich werde die Daten in meinen Computer eingeben und eine astrologische Karte erstellen. Ich mache Ihnen gerne einen Ausdruck davon, wenn Sie möchten.«
»Astrologie ist doch totaler Blödsinn.«
»Sie würden sich wundern. Sie sind hier auf der Insel geboren worden?«
»Ja, zu Hause – unter Aufsicht eines Arztes und einer Hebamme.«
»Haben Sie schon einmal ein paranormales Phänomen erlebt?«
Es machte ihr nichts aus zu lügen, aber sie hasste die Tatsache, dass sie dabei immer ein Gefühl hatte, als schnürte sich ihr die Kehle zu. »Wieso sollte ich?«
»Erinnern Sie sich an Ihre Träume?«
»Sicher. Ich habe neulich nachts einen heißen Traum von Harrison Ford gehabt, einer Pfauenfeder und einer Flasche Distelöl. Was meinen Sie, was das bedeutet?«
»Da eine Zigarre manchmal einfach nur eine Zigarre ist, geht es bei sexuellen Fantasien manchmal einfach nur um Sex. Träumen Sie in Farbe?«
»Ja, sicher.«
»Immer?«
Sie zuckte mit den Achseln. »Schwarz-weiß für Bogart-Filme und künstlerische Fotografie.«
»Sind Ihre Träume jemals prophetisch?«
Sie hätte beinahe mit Ja geantwortet, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig fangen. »Bis jetzt haben Harry und ich noch nicht den richtigen Dreh rausgekriegt. Aber ich habe Hoffnung.«
Er wechselte die Taktik. »Haben Sie Hobbys?«
»Hobbys? Sie meinen, so wie … Quilts nähen oder Vögel beobachten? Nein.«
»Was machen Sie in Ihrer Freizeit?«
»Ich weiß nicht.« Sie wand sich fast, bevor sie sich zusammenriss. »Was man so macht. Fernsehen, Kino. Hin und wieder gehe ich auch segeln.«
»Bogart-Filme? Welches ist Ihr Lieblingsfilm?«
»Der Malteser Falke.«
»Mit welcher Art von Boot segeln Sie?«
»Mit Zacks kleiner Jolle.« Sie trommelte mit den Fingern auf den Tisch, ließ ihre Gedanken schweifen. »Ich glaube aber, ich werde mir auf die Dauer ein eigenes Boot anschaffen.«
»Es geht doch nichts über einen Tag auf dem Wasser. Wann ist Ihnen zum ersten Mal bewusst geworden, dass Sie besondere Fähigkeiten besitzen?«
»Das war eigentlich nie eine …« Sie richtete sich kerzengerade auf, wischte sorgfältig jeden Ausdruck von ihrem Gesicht. »Ich weiß wirklich nicht, was Sie meinen.«
»O doch, das wissen Sie sogar sehr genau, aber wir können das erst einmal vernachlässigen, wenn es Ihnen Unbehagen verursacht.«
»Ich fühle mich überhaupt nicht unbehaglich. Ich verstehe Ihre Frage nicht, das ist alles.«
Mac legte seinen Stift auf den Tisch und schob den Suppenteller beiseite. Seine Augen, absolut umwerfend hinter den Brillengläsern, blickten direkt in ihre. »In Ordnung, dann drücken wir es mal so aus: Wann ist Ihnen klar geworden, dass Sie eine Hexe sind?«
4
Sie hörte das Blut in ihren Ohren rauschen, fühlte, wie es im Gleichtakt mit dem Hämmern ihres Herzens pulsierte. Mac saß abwartend da, der Ausdruck seiner Augen hinter der Nickelbrille ruhig und gelassen. Er beobachtet mich, dachte Ripley, als sei ich irgendein interessantes Laborexperimen. Ihr Zorn begann wie eine Zeitbombe zu ticken. »Was ist das nun schon wieder für eine blöde Frage?«, fauchte sie.
»Bei manchen ist es ein Instinkt – ein angeborenes Wissen. Andere erlernen es, so ähnlich, wie Kinder das Sprechen und Laufen lernen. Es gibt einige, die ihre speziellen Kräfte zu Beginn der Pubertät entdecken. Und zahllose andere, glaube ich, die durch das Leben gehen, ohne ihr Potenzial überhaupt jemals zu erkennen.«
Jetzt vermittelte er ihr das Gefühl, eine leicht beschränkte Studentin zu sein. »Ich weiß wirklich nicht, wo Sie diesen Unsinn herhaben, oder wie Sie auf die idiotische Idee gekommen sind, ich wäre eine …« Sie weigerte sich, das Wort zu sagen, weigerte sich, ihm die Genugtuung zu gönnen, es laut auszusprechen. »Dieser lächerliche Hokuspokus
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