Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
den Kopf schief, um den Titel des Buches zu entziffern, in dem sie gerade gelesen hatte. Serienmörder: ihre Gefühlswelt, ihre Denkweise. Junge, Junge. »Wie ist das Buch?«
»Zu viel Psycho-Gequatsche, nicht genug Blut.« Sie bedachte ihn mit einem schmallippigen Lächeln. »Intellektuelle Typen haben irgendwie nicht den richtigen Draht dazu.«
»Viele Intellektuelle kommen nicht genug in die Welt hinaus. Zu viel theoretische Forschung, zu wenig praktische wissenschaftliche Arbeit.« Er lehnte sich leutselig gegen den
Tresen, als ob sie ihm mit Rosen statt Dornen begegnete. »Haben Sie gewusst, dass es eine Theorie gibt, derzufolge Jack the Ripper übersinnliche Kräfte hatte? Seine Zeit in London war zwar der erste dokumentierte Fall von Serienmord, aber laut dieser Theorie hatte er schon einmal gelebt, und er hatte in seinem früheren Leben ebenfalls gemordet, und zwar in Rom, Gallien und in der Bretagne.«
Lulu fuhr fort, ihn über den Rand ihrer Brille hinweg zu beobachten, während sie die Preise der Bücher einscannte. »Ich bin gegen so was.«
»Ich auch. Aber es ergibt eine gute Story. The Ripper – Mord im Wandel der Zeiten. Nach dem, was ich gelesen habe, war er der Erste, der die hornlose Ziege benutzte … bei Menschenopfern«, fügte er erklärend hinzu, als Lulus Augen sich verengten, »in ritueller Magie. Schwarzer Magie. Sehr schwarz.«
»Ist es das, wonach Sie hier auf der Insel suchen? Blutopfer?«
»Nein, Ma’am. Beim Hexenkult werden keine Blutopfer dargebracht. Die anständige Hexe verletzt oder tötet niemanden.«
»Nennen Sie mich Lulu. Nicht Ma’am.« Als Mac nur lächelte, rümpfte Lulu die Nase. »Sie sind ziemlich clever, was?«
»Ja.« Sein Lächeln wurde noch breiter. »Manchmal fühlen sich die Leute dadurch irritiert.«
»Sie sind bei mir an der falschen Adresse, mein Junge. Ich bin keine Hexe.«
»Nein, aber Sie haben eine aufgezogen. Es muss interessant gewesen sein, Mia heranwachsen zu sehen. Und Ripley.« Er schob seine Einkäufe müßig auf dem Tresen hin und her. »Die beiden sind ungefähr im selben Alter, nicht?«
Ja, dachte Lulu. Sehr clever, der Junge. »Ja und?«
»Sie wissen ja, wie das bei uns intellektuellen Typen ist.
Wir sind voller Fragen. Ich möchte Sie gerne interviewen, wenn Mia nichts dagegen hat.«
Misstrauen und Entzücken rangen in Lulus Innerem miteinander. »Wozu?«
»Nennen wir es menschliches Interesse. Die meisten Menschen verstehen das normale, das alltägliche Verhaltensmuster einer außergewöhnlichen Frau nicht. Selbst wenn sie dem Außergewöhnlichen gegenüber aufgeschlossen sind, neigen sie zu der Ansicht, dass das Gewöhnliche, das Simple und Alltägliche keinen Platz im Leben eines außergewöhnlichen Menschen hat. Keine Mathehausaufgaben, kein Stubenarrest, weil man zu spät nach Hause gekommen ist, kein Bedürfnis, sich an jemandes Schulter auszuweinen.«
Lulu nahm die Kreditkarte, die er ihr reichte. »Haben Sie es auf Mia abgesehen? In privater Beziehung, meine ich.«
»Nein. Aber ich sehe sie verdammt gerne an. Als ich es das erste Mal getan habe, hatte ich Angst, mir würden die Augen aus dem Kopf fallen und mich in Verlegenheit bringen.«
Lulu hätte beinahe gelacht, konnte sich aber gerade noch rechtzeitig bremsen. »Ich habe keine Zeit, mich mit irgendeinem Collegejungen zu unterhalten, damit er seine Semesterarbeit schreiben kann.«
Mac unterzeichnete die Kreditkartenquittung – ohne auch nur einen Blick auf die Gesamtsumme zu werfen, wie Lulu bemerkte. »Ich werde Sie dafür bezahlen.«
Sie hörte das verführerische Rascheln von Geldscheinen in ihrem Hinterkopf. »Wie viel?«
»Fünfzig Dollar die Stunde.«
»Was? Sind Sie verrückt?«
»Nein. Stinkreich.«
Kopfschüttelnd reichte Lulu ihm seine Tüte mit Büchern. »Ich werd’s mir überlegen.«
»Okay. Danke.«
Als Mac hinausging, schüttelte sie abermals den Kopf. Er
wollte sie fürs Reden bezahlen? Das musste man erst mal bringen!
Sie wunderte sich noch immer darüber, als Mia die Treppe herunterkam. »Es ist heute zu ruhig hier, Lu. Ich glaube, ich werde eine kleine Aktionswoche veranstalten und oben Kochbücher zu Sonderpreisen anbieten, um Kunden anzulocken. Nell könnte ein paar Rezepte aus einigen der Bücher nachkochen und zum Probieren anbieten.«
»Wie du meinst. Übrigens, der Collegeboy war gerade eben hier.«
»Wer? Ach so, ich weiß schon.« Mia reichte Lulu die Tasse mit Tee, die sie aus dem Café für sie geholt hatte. »Der
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