Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)
Kräfte sind eine heikle Sache. Wenn sie das nicht wären, wären sie bedeutungslos. Du bist selbst verliebt«, fuhr Mia fort. »Schwebst noch immer auf Wolke sieben, und deshalb willst du jeden verkuppeln und glücklich und zufrieden sehen. Aber wir sind nicht alle dafür bestimmt, das zu haben, was du mit Zack hast.«
»Wenn du nur hättest hören können, wie Ripley von Mac geschwärmt hat, bevor sie sich dabei ertappte.«
Kopfschüttelnd schrubbte Nell ihre geschälten Kartoffeln. »Sie ist in ihn verliebt, und sie weiß es noch nicht mal.«
Mia leistete sich einen Moment der Freude und des Neides bei dem Gedanken daran, dass sich ihre Freundin aus der Kindheit verliebt hatte. »Und wenn sie es nun wüsste – wenn du ihr helfen würdest, das zu sehen, was in ihrem Inneren geschieht –, könnte sie womöglich kopfscheu werden und hastig vor dieser Schwelle zurückweichen, bevor sie stürzt. Es wäre nur zu typisch für sie.«
»Du hast wieder mal Recht«, erwiderte Nell. »Und ich hasse das. Sag mir, was du von Mac hältst. Du hast dich schon häufiger mit ihm unterhalten als ich.«
»Ich glaube, er ist ein sehr kluger Mann, sehr scharfsinnig und klar denkend und sehr zielbewusst. Er bedrängt Ripley nicht mit seiner Forschungsarbeit, weil er weiß, dass sie dann zurückschrecken wird. Also versucht er’s auf die behutsame Tour, um sie dazu zu bringen, sich ihm schließlich zu öffnen.«
Mia schlenderte zur Plätzchendose, griff hinein. »Schokoladenkekse. Ich bin verloren.«
»Das finde ich sehr berechnend.« Nell ging automatisch
zum Herd, um Wasser aufzusetzen, damit Mia zu ihrem Keks eine Tasse Tee trinken konnte. »Wenn er sie benutzt …«
»Warte.« Mia hob eine Hand, schluckte einen Bissen hinunter. »Natürlich benutzt er sie. Aber das ist nicht immer unrecht. Sie weigert sich, ihn auf diesem Gebiet direkt sein zu lassen, folglich geht er auf die indirekte Art vor. Warum sollte er ignorieren, was sie ist, nur weil sie es ignoriert, Nell?«
»Nur um Zeit mit ihr zu verbringen, nur um mit ihren Gefühlen zu spielen. Das ist unrecht.«
»Das habe ich nicht gesagt, und ich glaube auch nicht, dass er das tut. Dazu hat er zu gute Manieren. Und ich glaube, er ist nicht nur klug, sondern auch ein sehr netter und anständiger Mann.«
Nell seufzte. »Ja, das glaube ich auch.«
»Ich kann mir vorstellen, dass er sich ziemlich stark zu ihr hingezogen fühlt, trotz der Tatsache, dass sie schroff, nervtötend und entsetzlich starrköpfig ist.«
Nell lächelte. »Das klingt plausibel. Du sorgst dich sehr um sie, trotz dieser Tatsachen.«
»Das war einmal«, erwiderte Mia kurz angebunden. »Dein Wasser kocht.«
»Tu nicht so, als ob sie dir gleichgültig wäre, Mia, denn das stimmt einfach nicht. Ripley bedeutet dir etwas, genauso wie du ihr etwas bedeutest, ganz gleich, was zwischen euch vorgefallen ist.« Nell wandte sich ab, um den Tee aufzugießen, und sah daher nicht den Schatten, der Mias Augen verdunkelte.
»Sie wird sich wieder mit mir befassen müssen und ich mich mit ihr. Bis sie endlich akzeptiert, wer sie ist, was sie ist und wofür sie bestimmt ist, wird sie niemals offen gegenüber dem sein, was du hast. Du hattest Angst. Sie hat ebenfalls Angst. Wir alle haben Angst.«
»Wovor hast du denn Angst?« Nell wandte sich vom
Herd ab. »Tut mir Leid, aber wenn ich dich ansehe, sehe ich immer nur Selbstvertrauen, eine solch unglaubliche Selbstsicherheit.«
»Ich fürchte mich davor zu fühlen, wie mir das Herz ein zweites Mal gebrochen wird, weil ich nicht weiß, ob ich das überleben könnte. Lieber würde ich allein bleiben, als zu riskieren, diesen Schmerz womöglich noch einmal zu erleben.«
Mias ruhige Erklärung, die Wahrheit, die darin mitschwang, taten Nell in der Seele weh. »Sosehr hast du ihn geliebt?«
»Ja.« Es nur zu sagen, dachte Mia, tut schon weh. So weh, als ob das alles erst gestern gewesen wäre. »Ich hatte keine Angstschwelle zu überwinden, was ihn anbetraf. Du siehst also, dass es gefährlich sein könnte, bei Ripley ein bisschen nachzuhelfen. MacAllister Booke ist Teil ihres Schicksals.«
»Das weißt du?«
»Ja.« Um Mias Lippen spielte ein flüchtiges Lächeln, als sie den Küchenschrank öffnete, um Tassen herauszunehmen. »Einen Blick auf etwas zu werfen heißt noch lange nicht, sich einzumischen. Die beiden sind miteinander verbunden. Aber was sie damit anfangen, die Entscheidungen, die sie in dieser Hinsicht treffen, das ist einzig und allein ihre
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