Im Licht der Sonne: Roman (German Edition)

Mac.
    »Mir gefällt immer der Ort am besten, an dem ich gerade bin«, erwiderte er. »Three Sisters ist auch so ein perfektes kleines Stück von der Welt.«
    »Und die Eingeborenen sind ziemlich freundlich«, fügte Zack hinzu.
    »Das sind sie.« Mac bedachte Ripley mit einem Grinsen, als er seinen Schmorbraten aß. »Meistens jedenfalls.«
    »Wir neigen heutzutage nicht mehr zu dem kannibalistischen Brauch, Missionare und Forschungsreisende in den Kochtopf zu stecken.« Ripley spießte mit ihrer Gabel eine Kartoffel auf. »Meistens jedenfalls.«
    »Ein Glück für mich. Ich habe ein paar interessante Interviews geführt. Mit Lulu, den Maceys …«
    »Du hast mit Lulu gesprochen?«, unterbrach ihn Ripley.
    »Mmm. Sie stand ganz zuoberst auf meiner Liste. Sie lebt hier schon seit langer Zeit, aber sie ist nicht hier auf der Insel geboren worden. Und dann ist da noch ihre enge Verbindung mit Mia. Ich finde es faszinierend, wie gelassen, fast gleichmütig, Lulu das Metaphysische akzeptiert. Sie nimmt Mias Gabe so selbstverständlich hin, wie andere vielleicht die Haarfarbe ihres Kindes hinnehmen würden. Für Sie ist es vermutlich anders«, fügte er zu Nell gewandt hinzu. »Da Sie Ihre besonderen Fähigkeiten erst als Erwachsene entdeckt haben.«
    »Das ist richtig.« Es machte Nell nichts aus, darüber zu sprechen. Tatsächlich glaubte sie, dass es ihr gefallen würde, die ganze Sache auf einer intellektuellen, einer wissenschaftlichen
Ebene zu erörtern. Aber sie hielt sich zurück, da sie die Warnsignale in Ripleys zu Schlitzen verengten Augen und den steifen Schultern erkannte. »Noch etwas Braten?«, fragte sie Mac liebenswürdig.
    »Gerne, danke. Er schmeckt wirklich ausgezeichnet. Zack, ich wollte Sie fragen, ob Sie vielleicht auch etwas Zeit für ein Interview mit mir erübrigen könnten? Ich würde gerne etwas über Ihre Sichtweise der Dinge erfahren – über die Einstellung von jemandem, der schon sein ganzes Leben auf der Insel wohnt und der eine Frau mit beachtlichen Talenten geheiratet hat.«
    »Sicher. Mein Zeitplan ist ziemlich flexibel.« Zack war nicht blind gegen die Reaktion seiner Schwester, aber er betrachtete das als ihr Problem. »Sie werden feststellen, dass die meisten von uns nicht tagtäglich über die ungewöhnliche Geschichte der Insel nachdenken. Das überlassen wir den Touristen. Die meisten von uns leben einfach hier.«
    »Genau darauf will ich hinaus. Sie leben mit der Geschichte, kümmern sich um Ihre Geschäfte, führen ein ganz normales Leben.«
    »Wir sind ganz normal«, sagte Ripley leise.
    »Natürlich.« Mac hob sein Weinglas, betrachtete sie ruhig. »Außergewöhnliche Fähigkeiten ändern nichts an elementaren menschlichen Bedürfnissen. Dem Bedürfnis nach einem Zuhause, nach Familie, Liebe, finanzieller Sicherheit. Die enge, die familiäre Beziehung zwischen Lulu und Mia, zum Beispiel, beruht nicht auf dem, was Mia ist, sondern darauf, wer sie ist.«
    Er blickte Zack an. »Ich denke doch, dass Sie Nell nicht deshalb geheiratet haben, weil sie eine Hexe ist oder trotz dieser Tatsache, sondern weil sie Nell ist.«
    »Das stimmt. Außerdem war da noch ihr legendärer Schmorbraten.«
    »Was man nicht unberücksichtigt lassen darf. Liebe geht
bekanntlich durch den Magen. Ich selbst bin auch sehr von Nell und ihren Kochkünsten angetan, seit ich meine erste Tasse von ihrer Suppe gekostet habe.«
    Zack schmunzelte, als er Wein nachschenkte. »Dann ist es ja nur gut, dass ich die als Erster gesehen habe.«
    »Das Timing ist der Schlüssel. Wenn Lulu damals nicht genau zu dem Zeitpunkt hier gelandet wäre, an dem sie hier landete, hätte sie vielleicht nicht die Hauptrolle bei Mias Erziehung gespielt. Wenn Sie, Nell, nicht in genau dem Moment die Buchhandlung betreten hätten, in dem Mias frühere Küchenchefin kündigte, hätten Sie vielleicht nicht diese Verbindung hergestellt – oder nicht exakt diese Verbindung. Diese Verbindung führte zu einer Beziehung mit Zack und Ripley und auf eine verschlungene, Art und Weise zu mir.«
    »Ich habe nichts damit zu tun.« Ripleys Stimme war noch immer ruhig, aber jetzt schwang eine unüberhörbare Schärfe darin mit.
    »Deine Entscheidung«, sagte Mac gelassen. »Die Wahl, die man trifft, ist ebenfalls ein Schlüssel. Jedenfalls, da du dich dagegen sträubst, mich auf der Insel herumzuführen, wenn ich arbeite, wollte ich dich nach einer Stelle an der Südspitze der Insel fragen. Ein riesiges altes Haus – mit einer Menge geschnitzter