Im Licht des Blutmondes
wollte mich haben“, flüsterte Joleen und versuchte das Schluchzen unter Kontrolle zu bringen. „Ich habe immer versucht, alles so zu machen, dass sie nicht böse ist. Aber ich habe immer alles falsch gemacht. Und gestern habe ich widersprochen, als der Sir meine Haare schneiden wollte.“ Tony nickte verstehend.
„Und deswegen glaubst du, er würde dich nun aussetzen?“ Joleen nickte und sah Tony an.
„Bitte, kannst du nicht mit ihm reden? Ich will auch nie wieder widersprechen und immer artig sein. Vielleicht bringt er mich ja nicht weg, wenn du ihn darum bittest.“ Joleen griff nach den Handgelenken der Bluthure, die vor ihr saß. Tony lächelte und schüttelte ihren Kopf.
„Das wird nicht nötig sein, Joleen“, erklärte sie ruhig und schloss sie dann feste in ihre Arme. „Niemand hat vor, dich auszusetzen. Der Ausflug in die Stadt soll dich ein wenig ablenken. Mehr nicht.“
„Versprochen?“ Joleen vergrub ihr Gesicht an Tonys Brust, während sie ihre Umarmung erwiderte. Bevor sie hier hergekommen war, war sie nie so umarmt worden. Auch hier kam es nur selten vor. Deswegen versuchte Joleen diese Augenblicke von körperlicher Zuneigung immer so lange wie möglich auszukosten.
„Ich verspreche es dir“, erwiderte Tony beinahe feierlich und schob sie dann ein Stück von sich weg, um ihr in die Augen sehen zu können. „Ich bin hier, weil Sir Zacharias mir erzählt hat, was passiert ist und wieso ihr in die Stadt fahrt. Du bist für heute vom Unterricht freigestellt. Aber morgen erwarte ich dich dort wieder. Verstanden?“ Joleen lächelte sie erleichtert an und nickte dann artig. Sie würde zu allem Ja sagen, solange sie nur nicht fort musste.
Sie saß neben Zach im Auto und sah erstaunt, wie die nächtliche Stadt an ihnen vorbeiflog. Es war immer wieder aufregend, wenn sie mit einem Auto fuhr. Sie liebte es, aus dem Fenster zu schauen und die vorbeischnellende Gegend zu betrachten.
Zach war heute ungewohnt still, was ihr ein wenig Angst machte. Auch wenn Tony ihr versprochen hatte, dass er sie wieder mit nach Hause nehmen würde, so waren kleine, nagende Zweifel geblieben. Unablässig warf sie einen unsicheren Blick zu ihm hinüber, während er stumm aus dem Fenster sah. Ihn anzusprechen, wagte sie nicht.
Die Trennscheibe zur Fahrerkabine war hochgefahren, sodass sie auch den Fahrer nicht sehen konnte. Irgendwie war heute alles ein wenig seltsam. Ob Zach vielleicht doch böse auf sie war?
Je länger Zach schwieg, desto nervöser wurde Joleen. Unruhig rutschte sie auf ihrem Sitz hin und her, unfähig, für ihre Gefühle die richtigen Worte zu finden.
„Hör bitte auf so herumzuhampeln!“, ermahnte Zach sie. Joleen erstarrte mitten in der Bewegung. Sie legte schnell die Hände in den Schoß und versuchte, sich nicht mehr zu bewegen.
„Entschuldigung“, sagte sie. Angst kroch erneut in ihr hoch. Sie hörte, wie Zach seufzte, und spürte dann, wie seine kalten Finger sanft über ihr Haar strichen.
„Schon gut“, murmelte er leise zurück und legte dann seine Finger unter ihr Kinn, um sie dazu zu bringen, ihr Gesicht in seine Richtung zu drehen. Joleen versuchte mühsam, ihre Tränen zurückzuhalten und wagte es nicht, ihm direkt in die Augen zu sehen. „Joleen, sieh mich an!“
Ermutigt durch die Sanftheit in seiner Stimme, hob sie ihren Blick. Zach wirkte ruhig und lächelte. Unsicher lächelte sie zurück und schöpfte neue Hoffnung.
„Ich habe mit Tony gesprochen“, begann er und drehte sich ein wenig zu ihr herum. „Sie meinte, du hättest Angst, dass wir dich irgendwo aussetzen würden. Stimmt das?“
Joleen nickte. Sie wusste, wenn sie nun flunkerte, würde Zach es sofort wissen. Er wusste so etwas immer.
„Warum glaubst du, sollten wir so etwas tun?“ Joleen presste ihre Lippen aufeinander. Sie nicht wusste, was sie darauf antworten sollte. „Glaubst du mir, wenn ich dir verspreche, dass wir dich niemals aussetzen werden?“ Zachs Stimme war leise, aber sie ließ keinen Zweifel daran, dass er eine Antwort erwartete. Zögernd nickte sie und sah ihm dabei in die Augen. Sie wollte ihm glauben, wollte, dass sie für immer bei ihnen bleiben durfte.
„Gut, das solltest du nicht vergessen!“ Dann lächelte er. „Wir werden dich nicht fortschicken. Das wird nicht passieren.“
„Wirklich nicht?“ Joleen wollte diese Worte noch einmal hören.
„Wirklich nicht“, bestätigte Zach. „Und ich möchte, dass du dir nie wieder über solche Dinge Gedanken machst.
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