Im Licht des Blutmondes
Blick auf die Uhr verriet ihm, dass er noch gut zwanzig Minuten Zeit hatte, ehe er sich mit seiner Familie zu der täglichen Besprechung treffen musste. Er stand auf und konzentrierte sich auf das Haus. Alles schien ruhig zu sein, doch die Unruhe blieb.
Nachdem er sich umgezogen hatte, verließ er sein Zimmer und machte sich auf den Weg zum Salon, wo sie, wie üblich, ihre Besprechung abhalten würden. Sie wollten heute den nächsten Ausflug mit den Kindern planen. Außerdem würden sie die Sondergenehmigungen besprechen, die Fayn für Christin und Tony vorgesehen hatte.
Er betrat die Eingangshalle und hörte er leises, aufgeregtes Murmeln, das aus dem Salon kam, und zu seiner Verwunderung standen einige der jüngeren Kinder in der Halle herum, anstatt im Unterricht zu sein. Demzufolge hatte er sich also nicht geirrt. Es war etwas passiert.
Mit schnellen Schritten näherte er sich dem Salon, achtete dabei nicht auf die Kinder und trat ein, ohne sich vorher bemerkbar zu machen. Vier Augenpaare richteten sich auf ihn, als er die Tür hinter sich zu fallen ließ. Bis auf Martina waren alle anwesend. Doch zu seiner Verwunderung war eine sechste Person in dem Raum.
Tony, die Bluthure, die sie zur Betreuung der Kinder eingeteilt hatten, saß auf einem der Sofas und hatte ihr Gesicht in ihren Händen vergraben, während sie hilflos schluchzte.
„Was ist passiert?“, fragte er ohne weitere Umschweife und blickte die Mitglieder seiner Familie nacheinander an. Ihre Gesichter waren ernst. Der Schreck stand in ihren Augen. Und in diesem Augenblick wusste er es.
„Wo ist Joleen?“, fragte er scharf. Fayn löste die Hand, die sie auf Tonys Schulter gelegt hatte. Die Bluthure flüchtete sich in Agentas liebevolle Umarmung, während seine Cousine auf ihn zu trat und ihn ernst ansah.
„Wir wissen es nicht“, gestand Fayn vorsichtig und presste dann ihre Lippen aufeinander. „Als Tony die Kinder vor einer Stunde weckte, war sie nicht in ihrem Zimmer. Ihr Bett sah unbenutzt aus, was uns vermuten lässt, dass sie auch den Tag nicht dort verbracht hat.“ Ein Zittern durchlief Zacharias und er atmete tief durch. Wenn er nun in Panik verfiel, wäre Joleen auch nicht geholfen.
„Du verheimlichst mir etwas“, stellte er fest und Fayn nickte zögernd.
„Auch die Betten von Leon und Anderson wurden verwaist vorgefunden, und …“ Sie stockte und warf einen kurzen Blick zu ihrem Bruder. „… auch Martina ist fort.“
Zacharias stieß einen lauten Fluch aus und schlug mit der Faust so hart gegen die Wand, dass ein großes Loch darin entstand. Alle seine Sinne stellten sich automatisch darauf ein, Joleen zu finden. Er warf sie wie ein Netz über das gesamte Grundstück aus und wusste, wenn sie noch hier war, würde er sie so entdecken.
Dann bemerkten seine Sinne sie. Ihre Aura, wenn auch schwach. Sie befand sich noch im Haus. Ohne weiter nachzudenken, drehte er sich um und lief los.
„Zacharias“, konnte er Cirrus noch rufen hören, doch er achtete nicht drauf. „Los hinterher“, erklärte Cirrus laut und Zacharias konnte hören, wie seine Familie ihm folgte.
Sein Weg führte ihn in den Keller und eine kurze Sekunde lang wunderte er sich darüber, was Joleen wohl dort unten machte. Plötzlich trat die Tatsache, dass auch Leon und Anderson verschwunden waren, in sein Bewusstsein, und er beschleunigte seine Schritte nochmals.
Er erreichte den Fuß der Treppe, die in den Keller führte, und blieb er kurz stehen. In der gleichen Sekunde standen Nikolas und Cirrus neben ihm. Zacharias hatte nicht mehr als einen kurzen Blick für sie übrig, ehe er erneut vorpreschte. Nikolas und Cirrus ließen sich nicht wieder abhängen, sondern blieben gleich neben ihm. Fayn war nur wenige Schritte hinter ihnen.
Ein leises Scharren drang an Zacharias Ohren und da wusste er, hinter welcher Tür er nachsehen musste. Er steuerte die schwere Eisentür an und öffnete sie mit einem schnellen Fußtritt.
Sein Hirn brauchte nur wenige Sekunden, um das Bild, was sich ihm bot zu erfassen. Zacharias war so erschüttert, dass er nicht dazu in der Lage war, sich zu bewegen.
Joleen hing bewusstlos in den Ketten, die in der Mitte des Raumes an der Decke befestigt worden waren, ihr Körper war von ihrem eigenen Blut bedeckt und tiefe, dunkelblaue und schwarze Flecken zogen sich von ihren Brüsten hinab über ihren gesamten Körper. Auch ihr Gesicht war von blauen Flecken bedeckt und ihre Unterlippe war aufgeplatzt. Blut floss ihre Beine hinab,
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