Im Licht des Mondes: Roman (German Edition)
und die Finsternis, die die Insel umlauerte, war bereits gebannt.
Gerade als sie das dachte und Hoffnung sie durchströmte, erhob sich der Nebel in Schwaden vom Straßenrand. Ein gezackter Blitz explodierte neben ihrem Wagen, hinterließ Feuer und Schwefel.
Mitten auf der Straße knurrte ein riesengroßer schwarzer Wolf.
Instinktiv trat sie auf die Bremse, quietschten die Räder. Das Auto kam ins Schleudern und drehte sich um seine eigene Achse. Sie nahm verschwommen die Felsen wahr, den Nebel, die schimmernde Bande, die die schmale Straße vom Meer trennte.
Sie bekämpfte ihre Panik und steuerte gegen. Die Augen des Wolfs glühten, und er fletschte seine Zähne. Auf seiner Flanke war ein weißes Pentagramm zu sehen, wie ein Brandzeichen. Ihr Zeichen – und ihr Herz klopfte schmerzhaft, als sie es wahrnahm.
Durch ihr tosendes Blut, durch das Quietschen ihrer Reifen hindurch konnte sie seinen kalten Atem auf ihrem Hals spüren. Sie konnte die verschlagene, krächzende Stimme in ihrem Kopf wispern hören.
Lass dich fallen. Lass dich einfach fallen, und du wirst nicht mehr allein sein. Es ist so hart, allein zu sein.
Tränen verstellten ihr die Sicht. Einen kurzen Moment lang wurde sie schwach, zitterte vor Verlangen, alles zu beenden. In dem Moment konnte sie sich selber ganz klar sehen, wie sie über die Klippe sprang.
Sie vertrieb dieses Bild aus ihrer Vorstellung, während sie versuchte, den Wagen unter Kontrolle zu bringen, und
konzentrierte sich auf ihre Kraft. »Fahr zurück zur Hölle, du Satan.«
Als der Wolf seinen Kopf zurückwarf und heulte, gab sie Vollgas und fuhr direkt auf ihn zu – und durch ihn hindurch. Sie fühlte den Schock, nicht des Aufpralls, sondern der explodierenden Gier, die schwer in der Luft lag, als ihr Wagen das Bild gerammt hatte.
Der Nebel hob sich, und der Dunst – zart und perlend in der zunehmenden Sonne – schwebte über die Drei Schwestern. Mia lenkte an den Straßenrand und legte ihren Kopf auf das Steuerrad. Sie zitterte. Ihr erschien ihr eigener Atem zu laut in dem geschlossenen Auto, und sie kurbelte das Fenster herunter. Die kühle feuchte Luft, der gleichmäßige Gesang der See belebte sie wieder.
Aber sie hielt ihre Augen noch geschlossen und wartete darauf, dass sie sich wieder beruhigte.
»Nun, ich denke, das beantwortet meine Frage, ob es überwunden und erledigt ist.« Sie atmete tief ein und aus, bis ihr Herz wieder gleichmäßiger schlug. Dann öffnete sie ihre Augen und prüfte die Straße hinter sich durch ihren Rückspiegel.
Ihre Reifen hatten wilde Schleuderspuren auf dem Pflaster hinterlassen – eine Spur, stellte sie schaudernd fest, war gefährlich nahe am Straßenrand, nahe am Abgrund.
Der Wolf war weg und der Dunst inzwischen wie helle Gaze. »Ein offensichtlicher Trick«, sagte sie laut – zu sich selbst und allem, was lauschte. »Schwarzer Wolf, rote Augen. Offensichtlich und klischeehaft.«
Und, dachte sie, sehr, sehr effektiv.
Aber er trug ihr Zeichen – das Zeichen, das sie ihm aufgebrannt hatte, als er eine andere Gestalt getragen hatte. Er war nicht fähig gewesen, es auszumerzen, und das befriedigte
sie zutiefst. Sehr nötige Befriedigung, gab sie zu, weil der Anschlag fast gelungen war.
Sie lenkte das Auto wieder auf die Straße. Ihre Hände hatten beinahe aufgehört zu zittern, als sie ihren Wagen vor dem Buch-Café parkte.
Er hatte auf sie gewartet, geschickt, hoffte er. Es war ein Leichtes, seine Ankunftszeit im Hotel mit ihrer im Buchladen in Übereinstimmung zu bringen. Sie war zwar kein Uhrwerk, dachte Sam bei sich, als er über die Straße schlenderte, aber irgendwann zwischen Viertel vor und Viertel nach neun parkte sie ihren hübschen kleinen Wagen und schloss den Laden auf.
Sie trug eins ihrer langen, leichten Kleider – eins der Sorte, für die man als Mann dem Frühlingsgott am liebsten ein Opfer bringen würde. Es war von einem sanften Hellblau – der Farbe ruhiger Teiche – und umfloss ihren Körper wie Wasser.
Sie trug sexy hochhackige Sandalen – kaum mehr als ein paar bunte Lederbänder über dünnen, sehr hohen Hacken. Ihm war bisher nicht klar gewesen, dass einem Schuhe den Mund wässrig machen konnten.
Sie hatte ihr Haar zurückgebunden, das war das Einzige, was er in diesem Moment an ihr auszusetzen hatte. Er mochte es am liebsten, wenn es sie lose und ungebärdig umspielte, aber auch so hinterließ es einen beeindruckenden roten Strom auf ihrem Rücken.
Er
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